Das Dekameron
verscheuchte er endlich die erste Furcht durch die zweite und verließ das Grabmal, indem er leise sprach: »Gott steh mir bei!« Dann stieg er auf, setzte sich wohl zurecht und legte, am ganzen Leibe zitternd, die Hände auf der Brust zusammen, wie ihm befohlen worden war.
Nun fing Buffalmacco an, sich leise nach Santa Maria della Scala hinzuwenden, und trug ihn, immer auf allen vieren kriechend, bis nahe zu den Nonnen von Ripole. Um jene Zeit aber befanden sich in dieser Gegend Gruben, in welche die Besitzer der benachbarten Felder die »Gräfin von Latrinien« ausschütten ließen, um damit ihr Land zu düngen. Als Buffalmacco zu diesen Gruben gelangt war, näherte er sich dem Rande einer Grube, ergriff mit der einen Hand im rechten Augenblick einen Fuß des Doktors, riß ihn herab und schleuderte ihn richtig kopfüber in die Grube, indem er zugleich laut zu knurren, zu springen und zu toben anfing und dann vor Santa Maria della Scala vorüber nach Prato d'Ognissanti eilte, wo er Bruno fand, der geflohen war, weil er das Lachen nicht länger hatte halten können. Beide freuten sich nun des gelungenen Spaßes und stellten sich von ferne auf die Lauer, um zu sehen, was der eingeteigte Doktor jetzt begänne.
Als dieser gewahr ward, an welchem abscheulichen Ort er sich befand, strebte er, sich wieder aufzurichten und emporzuarbeiten, um herauszukommen. Doch erst nachdem er bald hier, bald dort wieder hingefallen, von Kopf bis Fuß ganz eingeteigt war und etliche Drachmen dabei geschluckt hatte, gelangte er jammernd und wutentbrannt wieder hinaus, wobei er seinen Mantelkragen zurückließ. Nun schabte er sich mit den Händen den Teig ab, so gut es gehen wollte, und kehrte, da er nichts anderes anzufangen wußte, nach Hause zurück, wo er so lange klopfte, bis ihm aufgemacht ward.
Doch kaum war er so stinkend eingetreten und die Tür hinter ihm geschlossen, als auch Bruno und Buffalmacco zur Stelle waren, um zu hören, wie der Meister von seiner Frau empfangen würde. Während sie nun lauschten, vernahmen sie die Frau die schrecklichsten Schimpfreden, die je dem ärgsten Schurken gesagt wurden, gegen ihn ausstoßen. »Ha«, rief sie, »wie recht ist dir geschehen! Gewiß warst du zu irgendeinem Weibsbild gegangen und wolltest in deinem Scharlachrock recht stattlich vor ihr erscheinen. Genügte ich dir etwa nicht? Mein Schatz, einem ganzen Volke könnte ich genügen, geschweige denn dir! O hätten sie dich nur drin ersäuft, als sie dich dort hineinwarfen, wohin du mit Recht gehörst! Ei, seht mir doch den ehrenwerten Doktor! Eine Frau zu haben und nachts auf fremde Weiber ausgehen!«
Mit solchen und ähnlichen Redensarten hörte sie bis Mitternacht nicht auf, ihn zu quälen, während der Doktor sich über und über waschen und reinigen ließ.
Nachdem Bruno und Buffalmacco sich am folgenden Morgen die Haut unter den Kleidern allerwegs mit blauen Striemen bemalt hatten, wie Püffe und Schläge sie zu bewirken pflegen, begaben sie sich ins Haus des Doktors, den sie schon aufgestanden antrafen. Als sie bei ihm eintraten, stank ihnen alles entgegen, denn noch hatte man ihn nicht so vollständig reinigen können, daß es nicht fortwährend gerochen hätte. Der Doktor nun hörte sie kommen, ging ihnen entgegen und bot ihnen einen guten Tag. Doch Bruno und Buffalmacco erwiderten ihm, wie sie untereinander verabredet hatten, mit zornigem Gesicht: »Den geben wir Euch nicht zurück! Im Gegenteil bitten wir den Himmel, daß er Euch als dem treulosesten und abscheulichsten Verräter, der lebt, so viel arge Zeit schicke, daß Ihr eines üblen Todes sterbet. Wahrlich, an Euch hat es nicht gelegen, daß wir, die wir uns bemühten, Euch Ehre und Freude zu verschaffen, nicht gleich Hunden totgeschlagen sind. Eurer Treulosigkeit wegen haben wir diese Nacht so viele Stöße und Püffe bekommen, daß mit wenigeren ein Esel von hier bis Rom zu treiben wäre, abgesehen davon, daß wir in Gefahr schwebten, aus der Gesellschaft gestoßen zu werden, in welche wir Euch hatten aufnehmen lassen wollen. Und glaubt Ihr uns nicht, so seht hier unsere Haut, wie sie aussieht.« Und nun öffneten sie im Zwielicht ihre Kleider und zeigten ihm ihre bemalte Brust, knöpften aber gleich wieder zu.
Der Doktor wollte sich entschuldigen und von seinem Mißgeschick erzählen und wie und wo er abgeworfen worden sei. Aber Buffalmacco sprach: »Ich wollte, das Tier hätte Euch von der Brücke in den Arno geworfen!
Warum mußtet Ihr auch Gott anrufen oder
Weitere Kostenlose Bücher