Das Dekameron
spannen.«
Nachdem sie dies gesagt hatte, gab sie allen Urlaub bis zur Stunde des Mahls. Jeder lobte die Rede der Königin als weise und verständig, und nachdem man aufgestanden war, gab sich der eine dieser, der andere jener Lustbarkeit hin. Die Damen brachten die Zeit bis zur Stunde des Mahls damit zu, Kränze zu flechten und allerlei Kurzweil zu treiben, die jungen Männer aber mit Spiel und Gesang. Als die Essenszeit gekommen war, speiste man neben dem schönen Springbrunnen fröhlich und mit Lust. Nach dem Mahl vergnügte man sich auf herkömmliche Art mit Liedern und Tänzen.
Endlich aber gebot die Königin, um der Sitte ihrer Vorgänger zu folgen, daß Panfilo, obgleich mehrere noch gern von ihren eigenen Liedern eines gesungen hätten, allein einen Gesang anstimmen sollte. Dieser begann nun bereitwillig so:
Weil, Amor, ich dein eigen,
Schenkst du an Freud und Lust und allem Guten
So viel, daß ich frohlock in Feuersgluten.
Das Übermaß des Glückes und der Lust,
Die jetzt zuteil mir werden,
Allein durch Amors Macht,
Es findet keinen Raum in meiner Brust:
Es redet in Gebärden,
Im Mund, der freudig lacht
Und - obwohl schweigend - sagt,
Daß, wer sich Liebe ließ so hoch gemuten,
Sich selig preist, ob Flammen ihn umfluten.
Nicht können diese Fülle meiner Lust
Aussprechen meine Lieder,
Nicht grüb in Erz sie Stahl;
Könnt ich's, müßt ich sie bergen in der Brust.
Erfuhr es jemand wieder,
So würde Lust zur Qual.
Mein Glück ist solcher Zahl,
Daß hundert Zungen, wenn sie nimmer ruhten,
Die Wonne nicht erzählten dieser Gluten.
Wer glaubte wohl, daß ich mit diesem Arm
Die an mein Herz gezogen,
Die glühend ich gefaßt,
Daß Wang an Wange, Lipp an Lippe, warm
Sich küssend festgesogen Zu süßer Liebesrast.
Und weil's denn niemand faßt,
Will ich mich freun der seligen Minuten,
Verschließend in die Brust des Glückes Fluten.
Panfilos Lied war zu Ende, und obgleich alle den Endreim mitgesungen hatten, war doch keiner darunter, der nicht mit besonderer Aufmerksamkeit - und vielleicht mit größerer als sich geziemt hätte - auf die Worte des Gesanges gelauscht und zu erraten versucht hätte, was das sei, wovon jener gesungen hatte, daß er es verbergen müsse. Und obschon man auf vielerlei verfiel, traf doch keiner die Wahrheit. Doch als die Königin den Gesang des Panfilo beendet sah, auch bemerkte, daß die Damen und Herren gern zur Ruhe gingen, gebot sie, daß jeder sich zum Schlafen zurückziehe.
ES SCHLIESST DES DEKAMERON ACHTER TAG, UND ES BEGINNT DER NEUNTE, AN WELCHEM UNTER EMILIAS REGIMENT JEDER ERZÄHLT, WAS IHM GEFÄLLT UND AM MEISTEN BEHAGT.
Das Licht, vor dessen Glanz die Nacht entflieht, hatte schon zum achten Male das dunkle Blau des Himmels in Helle verwandelt, und auf den Wiesen begannen die Blumen sich aufzurichten, als Emilia sich erhob und ihre Gefährtinnen und die jungen Männer rufen ließ. Als diese erschienen, folgten sie den langsamen Schritten der Königin und begaben sich so zu einem Wäldchen, nicht weit vom Schlosse. Hier fanden sie verschiedene Tiere, Rehe, Hirsche und andere, die sich bei der drohenden Pestilenz vor dem Jäger so sicher fühlten und sie so zutraulich herankommen ließen, als ob sie aller Furcht ledig und völlig zahm geworden wären. Die Damen und die jungen Männer aber näherten sich bald diesem und bald jenem Tier, als wollten sie es ergreifen, und machten sich ein Vergnügen daraus, es laufen und springen zu lassen.
Als die Sonne jedoch höher stieg, schien es allen an der Zeit, nach Hause zurückzukehren. Jeder war mit Eichenlaub bekränzt und trug wohlriechende Kräuter oder Blumen in den Händen. Wer sie so angetroffen, hätte nicht anders sagen können, als daß sie dem Tode entweder unbesieglich trotzten oder doch heiter und froh von ihm ereilt würden. So Schritt für Schritt lustwandelnd, singend, schwatzend und schäkernd, gelangten sie zum Palast, wo sie alles hübsch geordnet und die Diener froh und munter fanden.
Nachdem man sich hier ein wenig ausgeruht, ging man nicht eher zu Tisch, als bis sechs Lieder, eines immer heiterer als das andere, von den jungen Männern und den Damen gesungen worden waren. Danach ward das Wasser für die Hände gereicht, und der Seneschall setzte sie nach dem Willen der Königin um den Tisch, wo man, nachdem die Speisen aufgetragen waren, fröhlich zur Mahlzeit schritt.
Von dieser aufgestanden, überließ man sich wieder eine Zeitlang dem Gesänge und dem
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