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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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Liebe gewinnen kannst, nach der du so sehr getrachtet hast. Und zwar kannst du, wenn dir der Sinn danach steht, auf die folgende Weise mit ihr Zusammenkommen. Aus einem Grund, den du später erfahren wirst, soll diese Nacht von einem ihrer Verwandten der Leichnam des Scannadio, der heute morgen begraben wurde, in ihr Haus gebracht werden. Nun hat sie Furcht vor ihm, tot wie er ist, und möchte ihn nicht im Hause haben. Darum bittet sie dich, daß du diesen Abend zur Zeit des ersten Schlafes dorthin gehst, dich in das Grabmal legst, in dem Scannadio beigesetzt worden ist, seine Kleider anziehst und so lange still bleibst, als wärest du der Tote, bis man kommen wird, um dich zu holen. Dann aber sollst du dich, ohne etwas zu sagen oder einen Laut von dir zu geben, herausnehmen und nach ihrem Hause tragen lassen. Dort magst du dann bei ihr, die dich empfangen wird, verweilen und wieder fortgehen, wann es dir beliebt, denn wegen alles übrigen überlasse ihr allein die Sorge.< - Sagt er nun, er wolle das tun, so ist es gut. Erwidert er aber, er könne das nicht unternehmen, so sag ihm von mir aus, er solle sich nicht mehr blicken lassen, wo ich anzutreffen bin, und wenn er sein Leben liebe, solle er sich hüten, mir weder einen Boten noch irgendeine Bestellung zu schicken. Danach wirst du zum Rinuccio Palermini gehen und zu ihm sagen: >Madonna Francesca teilt dir mit, daß sie bereit sei, deine Wünsche zu erfüllen, wofern du ihr einen großen Dienst erweist. Dieser besteht darin, daß du heute Mitternacht zu dem Grabmal gehst, in dem heute morgen der Scannadio beigesetzt wurde, ihn, ohne ein Wort zu sagen, was du auch hören oder wahrnehmen mögest, behutsam aus dem Grabe herausnimmst und ihr ins Haus bringst. Dort wirst du sehen, warum sie dies wünscht, und von ihr erlangen, was du nur begehrst. Wolltest du dies aber nicht tun, so sollst du ihr weder Boten noch Briefe mehr schicken. <«
    Die Magd begab sich zu beiden und richtete jedem ihren Auftrag ordentlich aus, wie ihr befohlen war. Vom einen wie vom ändern wurde ihr geantwortet, daß sie nicht nur in ein Grab, sondern in die Hölle selbst hinabsteigen wollten, wofern es ihrer Dame gefiele. Diese Antwort brachte die Magd ihrer Gebieterin zurück, und diese wartete nun, ob sie wirklich so töricht wären, jenen Auftrag auszuführen.
    Als es nun Nacht geworden war und die Zeit des ersten Schlafes herankam, entkleidete sich Alessandro Chiarmontesi bis auf das Wams und verließ das Haus, um sich an der Stelle des Scannadio in das Grabmal zu legen. Unterwegs kam ihm ein gar zaghafter Gedanke in den Sinn, und er sagte bei sich selbst: »Oh, was für ein Tor bin ich! Wo gehe ich hin? Weiß ich denn, ob nicht ihre Verwandten vielleicht meine Liebe zu ihr bemerkt haben und in der Annahme, daß zutrifft, was nicht der Fall ist, ihr befohlen haben, mir diesen Auftrag zu erteilen, um mich dann in dem Grabmal zu töten? Geschähe das, so hätte ich den Schaden davon, und nichts würde ruchbar, das ihnen Schaden bringen könnte. Oder weiß ich, ob dies nicht irgendein Feind von mir angezettelt hat, dem sie vielleicht, weil sie ihn liebt, damit einen Dienst erweisen will?« Dann sprach er weiter: »Aber gesetzt auch, daß nichts von alledem zutrifft, und ihre Verwandten mich wirklich zu ihr ins Haus tragen sollten, so kann ich doch nicht glauben, daß jene den Leichnam des Scannadio nur begehren, um ihn selbst zu umarmen oder ihn ihr in den Arm zu legen. Vielmehr muß ich vermuten, daß sie ihn nur verlangen, um ihn irgendwie zu schänden, weil er sie vielleicht in irgendeinem Stück verletzt hat. Sie befiehlt mir, daß ich keinen Laut von mir geben soll, was ich auch wahrnehmen möchte. Wie, wenn sie mir nun die Augen ausstächen, oder die Hände abhieben, oder die Zähne ausrissen, oder sonst irgendein solches Spiel mit mir trieben - wie wäre ich dann daran? Könnte ich dazu wohl still sein? Und wenn ich rede, erkennen sie mich entweder und fügen mir vielleicht ein Leid zu, oder wenn sie mir nichts tun, so habe ich alsdann doch nichts ausgerichtet; denn sie werden mich nicht bei ihr lassen, und die Dame selbst wird sagen, ich hätte ihr Gebot übertreten, und nimmermehr tun, wonach ich Verlangen trage.«
    Unter diesen Gedanken war er nahe daran, nach Hause zurückzukehren. Dennoch trieb ihn die Macht der Liebe mit entgegengesetzten Gründen vorwärts, die so viel Kraft hatten, daß sie ihn bis zu dem Grabmal führten.
    Dies öffnete er, stieg hinein, kleidete den Scannadio

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