Das Dekameron
bringen ließ. Als sie nun jene Worte vernahm und fürchtete, die Nonnen möchten in ihrer Eile aus übermäßigem Eifer die Tür aufsprengen, stand sie schnell auf und kleidete sich im Finstern an, so gut sie wußte. Indem sie aber einen gewissen faltigen Schleier zu ergreifen meinte, welchen die Nonnen auf dem Kopf tragen und den sie das Psalterium nennen, faßte sie die Hosen des Priesters. Und so groß war ihre Eile, daß sie, ohne es gewahr zu werden, diese sich über den Kopf warf, hinauseilte und schnell die Tür hinter sich verschloß, indem sie rief: »Wo ist diese von Gott Verwünschte?« Alsbald gelangte sie mit den ändern, die so eifrig und begierig darauf waren, Isabetta auf frischer Tat zu ertappen, daß sie nicht bemerkten, was ihre Äbtissin auf dem Haupte trug, zur Tür der Zelle, sprengte diese mit Hilfe der übrigen auf und trat ein. Und nun fand man die beiden Liebenden umschlungen in ihrem Bette.
Diese, von der Überraschung ganz bestürzt, wußten nicht, was sie tun sollten, und blieben ruhig liegen. Die junge Nonne ward jedoch sogleich von den übrigen ergriffen und auf Befehl der Äbtissin in den Kapitelsaal geführt. Der junge Mann war zurückgeblieben, kleidete sich an und erwartete, was die Sache für einen Ausgang nähme. Er war entschlossen, allen Klosterfrauen, die er erreichen könnte, übel mitzuspielen, wenn seiner Geliebten irgend etwas zuleide geschähe, und diese dann mit sich zu nehmen.
Unterdessen begann die Äbtissin, nachdem sie im Kapitel ihren Sitz eingenommen hatte, in Gegenwart aller Nonnen, die immer noch bloß auf die Schuldige blickten, dieser die schwersten Beschimpfungen zu sagen, die je einem Weibe gesagt wurden, wie einer, welche die Heiligkeit, die Ehrbarkeit und den guten Ruf des Klosters mit ihren unziemlichen und schmachvollen Werken, sobald man diese außerhalb erführe, schwer befleckt hätte, und fügte dann den Scheltworten die härtesten Drohungen hinzu. Die Nonne, schüchtern und verschämt wie eine Schuldbewußte, wußte nichts zu antworten, sondern schwieg und erregte dadurch bereits das Mitleid der ändern.
Als die Äbtissin jedoch mit zornigen Reden fortfuhr, hob das junge Mädchen zufällig den Kopf und sah, was die Äbtissin auf dem Haupte trug, und wie die Hosenbänder ihr rechts und links herabhingen. Sie erkannte schnell, was es war, und sprach nun kecken Mutes: »Frau Äbtissin, so Euch Gott helfe, bindet Euch doch erst die Haube zu und sagt mir dann, was Ihr wollt.« Die Äbtissin, die sie nicht verstand, entgegnete: »Was Haube, du sündiges Weib! Hast du jetzt noch die Frechheit, Witze zu machen? Scheint dir nach dem, was du getan hast, daß hier Späße an ihrem Orte sind?« Das Mädchen wiederholte zum zweitenmal: »Madonna, ich bitte Euch bloß, bindet Euch die Haube zu, und dann sagt mir, was Euch beliebt.« Nun richteten natürlich auch viele der Nonnen ihre Augen auf den Kopfschutz der Äbtissin, und während sie selbst mit den Händen danach griff, wurden alle gewahr, warum Isabetta so sprach.
Als die Äbtissin den gleichen Fehler an sich erkannte und inneward, daß er allen offenbar und kein Verbergen desselben möglich sei, änderte sie ihre Rede und begann auf einmal ganz anders zu sprechen als zuvor, indem sie damit schloß, daß es unmöglich sei, dem Stachel des Fleisches zu wehren, und hinzufügte, daß jede, wie es bis zu dieser Stunde geschehen sei, sich fortan heimlich ein gute Zeit schaffen möge, sobald sie könne. Die junge Nonne ward nun freigelassen, die Äbtissin kehrte zu ihrem Priester, und Isabetta zu ihrem Liebhaber zurück. Diesen aber ließ sie noch oft zu sich kommen, zum großen Ärger derer, welche sie beneideten. Die ändern jedoch, welche noch keinen Liebhaber hatten, versuchten heimlich, so gut sie konnten, ihr Glück.
Dritte Geschichte
Auf Anstiften Brunos, Buffalmaccos undNellos macht Meister Simon dem Calandrino weis, er sei schwanger. Dieser gibt den Genannten zu seiner Heilung Kapaune und Geld, worauf er ohne Entbindung wieder genest.
Als Elisa ihre Erzählung geschlossen und alle Gott gedankt hatten, daß er die junge Nonne glücklich von den Verfolgungen der neidischen Schwestern befreit hatte, gebot die Königin dem Filostrato fortzufahren, und dieser begann, ohne einen weiteren Befehl abzuwarten:
Schöne Damen, der liederliche Richter aus der Mark, von dem ich euch gestern erzählte, hinderte mich, eine Geschichte von Calandrino mitzuteilen, die ich euch anfangs zum besten
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