Das Dekameron
geweihte Wachskerze, und dann laß mich nur machen.«
Calandrino stand den ganzen folgenden Abend mit seinen Netzen auf der Lauer, um eine Fledermaus zu fangen, und als er endlich eine erhascht hatte, brachte er sie mit den übrigen Sachen dem Bruno. Dieser zog sich in eine Kammer zurück, schrieb allerhand Unsinn und ein paar Zauberzeichen auf das Pergamentstück, brachte es ihm dann und sprach: »Wisse, Calandrino, sobald du sie mit dieser Schrift berührst, wird sie dir gleich nachfolgen und alles tun, was du nur willst. Wenn daher Filippo vielleicht heute einmal fortgeht, so nähere dich ihr unter irgendeinem Vorwand, berühre sie damit und gehe dann in die Strohhütte, die hier zur Seite und der gelegenste Ort ist, da niemand dort verkehrt. Du wirst sehen, daß sie dir nachkommt, und wenn sie darin ist, so weißt du wohl, was du zu tun hast.«
Calandrino war nun der glücklichste Mensch von der Welt, nahm die Schrift und sagte: »Freund, laß mich nur machen.«
Nello, dem Calandrino nicht traute, hatte von alledem denselben Spaß, den die übrigen genossen, und war ihnen bei der Ausführung behilflich. Deshalb ging er nun, wie Bruno ihm aufgetragen hatte, nach Florenz zu Calandrinos Frau und sprach zu ihr: »Tessa, du erinnerst dich noch, wie viele Schläge Calandrino dir ohne jeden Anlaß an dem Tage versetzte, als er mit den Steinen aus dem Mugnonetal heimkehrte. Deshalb will ich, daß du dich an ihm rächen sollst; denn tust du das nicht, so werde ich mich nie mehr für deinen Verwandten oder Freund halten. Er hat sich dort oben in ein Weibsbild verliebt, und das ist so gemein, daß es sich häufig mit ihm einschließt. Eben jetzt haben sie verabredet, wieder beisammen zu sein. Darum mußt du gleich mit mir kommen, ihn auf frischer Tat ertappen und dann gehörig züchtigen.«
Als die Frau dies hörte, schien es ihr kein Spaß, vielmehr sprang sie auf und rief: »Weh mir, du Straßenräuber! Tust du mir dergleichen an? Beim Kreuze Gottes, das geht nicht ab, ohne daß ich dich dafür bezahle.« Dann nahm sie ihren Mantel, erbat sich die Gesellschaft einer Frau und ging mit ihr und Nello wohl schneller als im Schritt dort hinauf. Als Bruno sie von ferne kommen sah, sagte er zu Filippo: »Sieh da, unser Bundesgenosse.« Filippo aber ging nun dahin, wo Calandrino und die ändern arbeiteten, und sprach: »Ihr Meister, ich muß eben jetzt nach Florenz. Arbeitet indes hübsch fleißig.« Dann ging er, verbarg sich aber an einem Ort, von wo er, ohne selbst gesehen zu werden, alles mit ansehen konnte, was Calandrino vornahm.
Als dieser den Filippo etwas entfernt glaubte, stieg er in den Hof hinab, wo er die Niccolosa allein fand und ein Gespräch mit ihr anknüpfte, wobei sie, die wohl wußte, was sie zu tun hatte, sich ihm näherte und ihm etwas mehr Freundlichkeit bezeigte, als sie gewohnt war. Nun berührte Calandrino sie mit dem Amulett, und sobald dies geschehen war, richtete er, ohne ein Wort zu sagen, seine Schritte nach der Strohscheuer, wohin die Niccolosa ihm sogleich nachfolgte. Als sie drinnen war, schloß sie die Tür, fiel dem Calandrino um den Hals, warf ihn auf das Stroh nieder, das dort auf der Erde lag, sprang ihm rittlings auf den Leib, und indem sie ihm die Hände gegen die Schultern stemmte, so daß er ihrem Gesicht nicht nahe kommen konnte, blickte sie ihn wie von großer Sehnsucht verzehrt an und rief: »O mein süßer Calandrino, Herz meines Leibes, meine Seele, mein süßes Gut, Ziel meiner Wünsche, wie lange habe ich danach begehrt, dich so zu besitzen und dich so nach aller Lust in meinen Armen halten zu können! Du hast mir ja mit deiner Liebenswürdigkeit den Faden aus dem Hemd gezogen, hast mir mit deiner Zither das Herz bezaubert. Ist es denn endlich wahr, daß ich dich so halte?« Calandrino, der sich kaum bewegen konnte, antwortete: »O meine süße Seele, laß mich dich küssen!« »Hast du solche Eile?« entgegnete ihm die Niccolosa. »Erst will ich mich an dir satt schauen, erst laß mich diese Augen an deinem süßen Antlitz sättigen.«
Bruno und Buffalmacco waren indes zu Filippo gegangen, und alle drei sahen und hörten dies alles mit an. Schon war Calandrino im Begriff, die Niccolosa dennoch zu küssen, da kam Nello mit Frau Tessa hinzu. Sobald er eintraf, rief er: »Ich will zu Gott schwören, daß sie beieinander sind.« Und sowie sie nun die Tür der Hütte erreichten, stieß die Frau, die sich nicht mehr zu halten wußte, mit den Händen dagegen, daß sie aufsprang,
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