Das Dekameron
empfange. Hätte er gefunden, daß sie mir zukäme, so darfst weder du noch sonst jemand glauben, daß er sie dir bewilligt hätte. Genieße also froh die Frucht deiner Wahl, des verständigen Rates deiner Freunde und der göttlichen Gunst und laß mich in meinen Tränen vergehen, die Gott mir, dem eines solchen Gutes Unwürdigen, bereitet hat. Ich werde sie entweder überwinden, und das wird dir lieb sein, oder sie überwinden mich, und dann bin ich frei von Pein.«
»Titus«, erwiderte Gisippus hierauf, »kann unsere Freundschaft mir ein Recht geben, daß ich dich zwinge, einem meiner Wünsche zu folgen, und kann sie dich bewegen, ihm nachzugeben, so gedenke ich entschieden, sie in diesem Sinne geltend zu machen, und wenn du dich meinen Bitten nicht willig ergibst, so gedenke ich mit derjenigen Gewalt, die wir zum Heil unserer Freunde anwenden dürfen, zu erreichen, daß Sophronia dein wird. Ich kenne die Macht der Liebe und weiß, daß sie nicht einmal, sondern viele Male die Liebenden zu unglücklichem Tode geführt hat, und ich sehe dich diesem so nah, daß du weder umkehren noch deine Tränen besiegen kannst, sondern weiters ehre itend besiegt unterliegen mußt, worauf ich dir dann ohne Zweifel bald genug folgte. Liebte ich dich also auch um nichts anderes, so muß mir dein Leben schon um meines Lebens willen teuer sein. Sophronia werde also dein, denn nicht leicht fändest du eine andere, die dir gefiele wie sie. Ich aber kann meine Liebe leicht einer ändern zuwenden und habe dann dich und mich beglückt. Ja, vielleicht wäre ich in diesem Stücke nicht so freigebig, wenn die Frauen so selten und so schwierig zu finden wären wie ein Freund, und deshalb, weil ich gar leicht eine andere Gattin, nicht aber einen ändern Freund finden kann, so will ich sie lieber - ich sage nicht verlieren, denn ich verliere sie nicht, indem ich sie dir gebe, sondern übertrage sie damit nur meinem ändern Selbst, und zwar zu ihrem eignen Besten - dir übertragen als dich verlieren. Darum, wenn meine Bitten irgend etwas über dich vermögen, so beschwöre ich dich, reiße dich von diesem Kummer los, richte dich und mich zugleich wieder auf und schicke dich mit froher Hoffnung an, die Wonne zu empfangen, die deine heiße Liebe zu der Geliebten begehrt.«
Wiewohl Titus sich immer noch schämte, darin einzuwilligen, daß Sophronia seine Frau werde, und deshalb noch eine Zeitlang Widerstand leistete, so zog ihn doch von der einen Seite die Liebe, und von der ändern trieb ihn das Zureden des Gisippus, so daß er endlich sprach: »Sieh, Gisippus, ich weiß nicht, ob ich sagen soll, daß ich mehr meinen oder mehr deinen Wunsch erfülle, indem ich tue, was dir, wie du mir unter Bitten versicherst, so sehr gefällt, und da deine Großmut von der Art ist, daß sie selbst meine schuldige Scham überwindet, so will ich es tun. Aber davon sei überzeugt, daß ich es nicht tue wie jemand, der nicht wüßte, daß er damit von dir nicht nur die Geliebte, sondern das Leben selbst wiederempfängt. Mögen die Götter mir gewähren, wenn es sein kann, daß ich dich noch einst gebührend ehren und dir zu deinem Heil beweisen könne, wie teuer mir ist, was du für mich, mitleidiger mit mir als ich selbst, getan hast.«
Nach diesen Worten sagte Gisippus: »Titus, wenn wir wollen, daß diese Sache Wirklichkeit wird, so scheint es mir, daß nur der folgende Weg einzuschlagen ist. Wie du weißt, ist Sophronia nach langen Verhandlungen meiner Verwandten und der ihrigen meine Braut geworden. Wenn ich daher jetzt aufträte und sagte, ich wollte sie nicht zur Frau, so entspränge daraus ein großes Ärgernis, und ich brächte ihre und meine Angehörigen dadurch auf. Daraus machte ich mir nun zwar wenig, wenn ich sie deshalb nur sicher die Deinige werden sähe. Allein ich fürchte, wenn ich sie jetzt im Stiche ließe, daß ihre Verwandten sie gar bald einem ändern geben möchten, welcher andere du vielleicht nicht wärest, und so hättest du dann verloren, was ich nicht gewonnen hätte. Darum scheint mir das beste, wenn du damit zufrieden bist, daß ich in dem fortfahre, was ich begonnen habe, sie als die Meinige nach Hause führe, die Hochzeit halte, du aber alsdann heimlich, wie wir das schon einrichten wollen, mit ihr als deiner Frau schlafen gehst. Später, wenn Zeit und Ort günstig sind, machen wir dann die Sache bekannt. Ist es ihnen dann recht, so ist es gut, wo nicht, so ist es doch geschehen, und da es nicht ungeschehen zu machen ist, so werden
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