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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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ihrem Übermut so weit hinreißen lassen. Zu diesen aber gehört ihr meiner Meinung nach alle, wenn ihr, wie ich höre, dagegen geredet habt und noch redet, daß Sophronia mein Weib geworden ist, während ihr sie dem Gisippus bewilligt hattet, ohne Rücksicht darauf, daß es von Ewigkeit an bestimmt war, daß sie nicht des Gisippus, sondern mein werde, wie sich jetzt daraus, daß es so geschehen ist, deutlich ergibt.
    Doch da das Reden von der geheimen Anordnung und Absicht der Götter vielen dunkel und schwer zu verstehen scheint, so will ich einen Augenblick annehmen, daß sie sich um keine unserer Angelegenheiten kümmern, und mich auf die Entschließungen der Menschen beschränken, wiewohl ich, indem ich hiervon spreche, zweierlei tun muß, was meinen Gewohnheiten sehr entgegen ist. Das eine ist, daß ich mich selbst ein wenig loben, das zweite, daß ich andere tadeln oder herabsetzen muß. Doch da ich mich beim einen so wenig wie beim ändern von der Wahrheit zu entfernen gedenke und der gegenwärtige Fall es erfordert, so will ich es tun.
    Eure Klagen, mehr von blinder Wut als von Überlegung eingegeben, tadeln mit beständigem Murren, ja mit Lärmen den Gisippus, schwärzen ihn an und verdammen ihn, weil er mir durch seinen Beschluß die zur Gattin gegeben hat, welche ihr durch den eurigen ihm gegeben hattet, während ich meine, daß er deshalb aufs höchste zu loben sei, und zwar aus folgenden Gründen: zuerst, weil er damit getan hat, was ein Freund tun muß, und zweitens, weil er viel verständiger gehandelt hat als ihr. Was die heiligen Gesetze der Freundschaft fordern, daß ein Freund für den ändern tue, will ich euch jetzt nicht auseinandersetzen. Ich begnüge mich, euch daran zu erinnern, daß das Band der Freundschaft enger verbindet als das des Blutes oder der Schwägerschaft; denn die Freunde haben wir, wie wir sie uns wählen, die Verwandten aber, wie das Glück sie uns gibt. Wenn daher Gisippus mein Leben höher anschlug als euer Wohlwollen, so darf sich niemand darüber wundern, da ich sein Freund bin, wie ich mich dafür halte.
    Doch kommen wir zu dem zweiten Grund, bei dem ich euch mit mehr Nachdruck werde zeigen müssen, daß er weiser war als ihr; denn von der göttlichen Vorsehung scheint ihr mir freilich nichts und von den Wirkungen der Freundschaft noch viel weniger zu verstehen. Es war eure Berechnung, euer Ratschluß und eure Abrede, welche Sophronia dem Gisippus übergab, einem Jüngling und Weltweisen, und es war des Gisippus Ratschluß, der sie gleichfalls einem Jüngling und Philosophen übergab. Euer Beschluß gab sie einem Athener, der des Gisippus einem Römer; der eurige einem edlen Jüngling, der des Gisippus einem noch edleren; der eurige einem reichen jungen Mann, der des Gisippus einem sehr reichen; der eurige einem Jüngling, der sie wenig liebte und kaum kannte, der des Gisippus einem jungen Mann, welcher sie mehr als jedes Glück, ja mehr als sein eigenes Leben liebte.
    Doch laßt uns im einzelnen betrachten, ob das, was ich sage, wahr und also mehr zu loben ist, als was ihr getan hattet. Daß ich jung und ein Philosoph bin wie Gisippus, können mein Aussehen und meine Studien, ohne weiter davon lange zu reden, erweisen. Wir sind gleichen Alters und mit gleichen Schritten immer in den Studien fortgeschritten. Es ist wahr: er ist Athener, und ich bin ein Römer. Wenn indes über den Ruhm der Vaterstadt gestritten werden soll, so werde ich anführen, daß ich aus einer freien Stadt stamme, er aber aus einer zinspflichtigen, werde erwähnen, daß ich aus einer Stadt bin, welche die Beherrscherin der Welt ist, er aus einer, die der meinigen gehorcht, werde daran erinnern, daß ich aus einer Stadt komme, welche durch Waffenruhm, Herrschaft und Weisheit blüht, während er die seinige nur wegen ihrer Wissenschaften rühmen kann. Überdies aber stamme ich, wenn ihr mich hier auch als einen ziemlich demütigen Schüler erblickt, keineswegs aus der Hefe des römischen Volkes. Mein Haus und die öffentlichen Plätze Roms sind voll von alten Bildsäulen meiner Ahnen, und die römischen Annalen finden sich mit Triumphzügen gefüllt, welche die Quinctier auf das römische Kapitol führten. Auch ist der Ruhm unseres Namens nicht etwa durch das Alter eingerostet, sondern blüht heute mehr denn je. Ich schweige aus Scham von meinen Reichtümern, indem ich eingedenk bin, daß eine ehrenvolle Armut ein ebenso altes wie glänzendes Erbgut der edlen Bürger Roms ist. Wird diese Armut aber

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