Das Dekameron
von der Meinung des Pöbels verworfen und werden die Schätze gerühmt, so habe ich deren nicht wie ein Habsüchtiger, sondern wie ein vom Glück Geliebter im Überfluß.
Wohl erkenne ich, daß es euch wert war, und so mußte es und muß es sein, den Gisippus hier als Verwandten zu haben; allein aus keinem Grunde darf ich in Rom euch minder wert sein, wenn ihr erwägt, daß ihr in mir einen trefflichen Gastfreund, einen nützlichen, eifrigen und mächtigen Beschützer nicht nur in den öffentlichen Angelegenheiten, sondern auch für eure besonderen Bedürfnisse dort haben werdet. Wer also, wenn er von Vorurteilen absieht und verständig überlegt, wird euren Entschluß mehr loben können als den meines Gisippus? Gewiß niemand! So ist denn Sophronia wohl vermählt an Titus Quinctius Fulvus, einen edlen, ahnenreichen und vermögenden Bürger von Rom und einen Freund eures Gisippus, und wer sich darüber beklagt oder wen es verdrießt, der tut nicht, was er soll, und weiß nicht, was er tut.
Vielleicht werden einige behaupten, nicht darüber klage Sophronia, daß sie die Gattin des Titus sei, sondern nur über die Art, wie sie seine Gemahlin geworden, heimlich, verstohlen, ohne daß Freunde oder Verwandte etwas davon gewußt hätten. Doch ist dies weder etwas Wunderbares, noch etwas, das zum ersten Male geschähe. Gern übergehe ich alle die, welche gegen den Willen ihrer Väter Männer nahmen; alle die, welche mit ihren Geliebten entflohen und früher Bettgenossinnen als Ehefrauen waren; alle, die früher durch Schwangerschaft und Entbindung als durch die Zunge ihre Ehe offenbarten, welche die Not gutzuheißen zwang. Dies alles ist mit Sophronia nicht geschehen, vielmehr ist sie in ordentlicher, überlegter und ehrbarer Weise von Gisippus dem Titus übergeben worden.
Vielleicht wenden andere ein, dann habe sie jemand vermählt, dem es nicht zukam, sie zu vermählen. Doch dies sind törichte und weibische Klagen, die nur aus geringem Nachdenken entspringen können. Bedient sich denn das Schicksal nicht oft neuer Wege und neuer Werkzeuge, um die Dinge zu dem von ihm bestimmten Ausgang zu führen? Was habe ich mich darum zu kümmern, ob statt eines Philosophen ein Schuster über eine meiner Angelegenheiten heimlich oder öffentlich verfügt hat, wenn nur das Ende gut ist? Nur davor habe ich mich zu hüten, wenn der Schuster nicht verständig ist, daß er dergleichen je wieder tun könne; für das Geschehene aber muß ich ihm danken. Hat nun Gisippus die Sophronia wohl vermählt, so ist das Schelten über die Art und Weise und über ihn eine überflüssige Torheit. Traut ihr seinem Verstände nicht, so hütet euch in Zukunft, daß er die Eurigen nicht mehr vermählen könne; aber für diesmal habt ihr ihm zu danken.
Überdies müßt ihr wissen, daß ich weder durch List noch durch Trug versucht habe, die Ehre und Reinheit eures Blutes in Sophronias Person zu beflecken. Wiewohl ich sie heimlich zur Frau nahm, benahm ich mich doch nicht als ein Räuber ihrer Jungfräulichkeit, noch wollte ich als Feind sie auf eine minder ehrbare Art vorübergehend gewinnen, indem ich es verschmäht hätte, mich euch dauernd zu verschwägern. Heftig entflammt von ihrer hohen Schönheit und von ihrer Tugend sah ich wohl ein, daß ich sie, wenn ich versucht hätte, sie auf die Weise zu gewinnen, die euch allein geziemend dünkt, nicht von euch bekommen hätte, weil ihr besorgt gewesen wäret, daß ich sie, die ihr liebt, nach Rom führen möchte. Ich bediente mich also des heimlichen Kunstgriffs, der euch jetzt bekannt sein mag, und bewog den Gisippus, in das, was er selbst zu tun nicht gesonnen war, in meinem Namen einzuwilligen. Danach aber, so heftig ich sie auch liebte, habe ich doch nicht als Liebhaber, sondern als Gemahl ihre Umarmungen begehrt, indem ich mich ihr nicht eher näherte, wie sie selbst wahrhaftig bezeugen kann, als bis ich sie mir mit gebührenden Worten und mit dem Ringe vermählt hatte, wobei ich sie fragte, ob sie mich zum Manne wolle, und sie mir ja antwortete. Dünkt sie sich dennoch getäuscht, so bin nicht ich deshalb zu tadeln, sondern sie selbst, daß sie mich nicht fragte, wer ich sei.
Dies ist nun das große Übel, die große Sünde, das große Unrecht, das von Gisippus als dem Freunde und von mir als dem Liebenden begangen wurde, daß Sophronia heimlich des Titus Quinctius Gattin geworden ist; und deswegen verleumdet ihr Gisippus, droht ihm und stellt ihm nach. Und was könntet ihr mehr tun, wenn er
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