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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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sie endlich damit zufrieden sein müssen.«
    Dem Titus gefiel dieser Rat vollkommen. Gisippus empfing daher Sophronia als die Seinige in seinem Hause, nachdem Titus inzwischen wiederhergestellt und wohlauf war. Groß waren die Festlichkeiten, und als die Nacht herankam, verließen die Frauen die Neuvermählte im Bett ihres Gemahls und gingen fort. Das Gemach des Titus stieß an das des Gisippus, und man konnte von dem einen in das andere gelangen. Sobald daher Gisippus jedes Licht ausgelöscht hatte, schlich er sich heimlich zu Titus und forderte diesen nun auf, er solle sich zu seiner Geliebten legen. Als Titus dies sah, wollte er, von Scham besiegt, alles rückgängig machen und weigerte sich zu gehen. Doch Gisippus, der mit ganzer Seele so gut wie mit Worten bereit war, den Wunsch des Titus zu erfüllen, bewog ihn nach langem Kampfe zu gehen. Als dieser nun zu ihr ins Bett kam, umarmte er die Jungfrau und fragte sie wie scherzend leise, ob sie seine Frau sein wolle. Sie, die ihn für Gisippus hielt, bejahte, worauf er, ihr einen schönen und kostbaren Ring an den Finger steckend, sprach: »Und ich will dein Mann sein.« Dann vollzog er mit ihr die Ehe und erfreute sich ihrer lange in Liebe, ohne daß sie oder sonst jemand je bemerkt hätte, daß ein anderer als Gisippus bei ihr lag.
    Während es nun um die Ehe von Sophronia und Titus also stand, schied Publius, sein Vater, aus diesem Leben. Man schrieb ihm daher, daß er ohne Säumen zurückkehren möge, um seine Angelegenheiten in Rom zu ordnen, weshalb er denn mit Gisippus übereinkam, daß er reisen und Sophronia mit sich nehmen wolle. Dies aber sollte und konnte füglich nicht geschehen, ohne ihr zu offenbaren, wie die Sache stand. Deshalb riefen denn beide sie eines Tages in ihr Gemach und entdeckten ihr offen, wie sich alles verhielt, indem Titus ihr dies durch viele kleine Begebenheiten, die sich zwischen ihm und ihr zugetragen hatten, überzeugend nachwies.
    Sophronia begann, nachdem sie den einen wie den ändern vorwurfsvoll angeblickt hatte, zu weinen, indem sie bei sich selbst die von Gisippus ausgegangene Täuschung beklagte, und ohne in seinem Hause ein Wort davon zu sagen, begab sie sich ins Haus ihres Vaters und erzählte ihm und der Mutter den Betrug, welchen Gisippus ihr und ihnen gespielt, durch den sie des Titus und nicht, wie sie bis dahin geglaubt hatte, des Gisippus Gemahlin sei. Ihr Vater fühlte sich durch das Geschehene sehr verletzt und begann nun mit seinen Verwandten gegen die des Gisippus lange und gewaltige Beschwerde zu führen, woraus denn großer und vielfacher Verdruß und vielfache Händel entstanden. Gisippus ward seinen und den Angehörigen Sophronias verhaßt, und jeder sagte, er habe nicht nur Tadel, sondern harte Strafe verdient. Er dagegen behauptete, er habe etwas durchaus Ehrenhaftes getan und Sophronias Verwandte müßten ihm vielmehr Dank wissen, daß er sie mit einem besseren Gemahl vermählt habe, als er selbst sei.
    Auf der ändern Seite hörte Titus dies alles wieder und litt sehr darunter. Da er aber wußte, es sei die Art der Griechen, sich so lange mit Lärmen und Drohungen breitzumachen, bis sie einen gefunden hätten, der ihnen antwortete, dann aber nicht allein demütig, sondern sogar kriechend würden, so meinte er, daß ihr Gerede nicht länger ohne Antwort zu ertragen sei. Da er nun von römischem Mute und athenischer Klugheit war, so ließ er auf geschickte Weise die Verwandten des Gisippus und die der Sophronia in einem Tempel Zusammenkommen und trat hier, nur von Gisippus begleitet, mitten unter sie und sprach zu den Harrenden: »Gar viele Weltweise glauben, daß alles, was von den Sterblichen vollbracht wird, Vorsehung und Bestimmung der unsterblichen Götter sei. Deshalb wollen denn auch einige, daß alles, was wir tun oder jemals tun werden, notwendig sei, wiewohl einige andere der Meinung sind, diese Notwendigkeit komme nur dem wirklich Geschehenen zu. Wenn wir diese Meinungen bedachtsam erwägen, so erkennen wir deutlich genug, daß das Tadeln eines Ereignisses, welches nicht mehr ungeschehen zu machen ist, nichts anderes heißt, als den Göttern an Weisheit überlegen sein zu wollen, von denen wir doch glauben müssen, daß sie mit ewiger Einsicht und ohne irgendeinen Irrtum über uns und unsere Dinge verfügen und sie leiten. Hieraus könnt ihr leicht ersehen, welche törichte und einfältige Anmaßung es ist, ihre Werke zu tadeln, und zugleich, welche Ketten diejenigen verdienen, die sich von

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