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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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und trug zu einer Waffentat nie ein anderes Zeichen als das, welches Lisa ihm geschickt hatte.
    Durch solche Handlungen erobert man die Herzen der Untertanen, gibt ändern Anlaß, gut zu handeln, und gewinnt ewigen Nachruhm - freilich Dinge, um derentwillen heutzutage wenige oder keine den Bogen ihres Verstandes zu spannen pflegen, nachdem die Mehrzahl der Herrscher grausam und tyrannisch geworden ist.
     

Achte Geschichte
     
     
    Sophronia, welche die Frau des Gisippus zu sein glaubt, ist die Gattin des Titus Quinctius Fulvus und geht mit ihm nach Rom. Hier trifft Gisippus in ärmlichem Zustande ein, und da er sich von Titus verachtet glaubt, klagt er, um zu sterben, sich selbst an, einen Menschen getötet zu haben. Titus erkennt ihn wieder und gibt nun, um ihn zu retten, vor, er sei es, der jenen getötet, worauf der wirkliche Mörder sich selbst angibt. Danach werden alle von Octavian in Freiheit gesetzt. Titus gibt dem Gisippus seine Schwester zur Gattin und teilt sein gesamtes Besitztum mit ihm.
     
    Nachdem Pampinea zu erzählen aufgehört und jeder, vor allem aber die Gibellinin, den König Peter gelobt hatte, begann Filomena auf Geheiß des Königs also:
    Hochherzige Mädchen, wer von uns wüßte nicht, daß die Könige, sobald sie nur wollen, jegliches Große vollbringen können, und daher von ihnen auch ganz besonders die Großmut gefordert wird? Wer, sobald er kann, das tut, was ihm zukommt, tut recht; aber wir dürfen darüber nicht so erstaunen, noch ihn genau so loben wie einen ändern, der dasselbe täte und dessen geringeres Vermögen uns weniger zu verlangen erlaubte. Wenn ihr daher mit so vielen Worten die Handlungen eines Königs preist, wenn sie euch so schön erscheinen, so zweifle ich nicht, daß euch die von unsersgleichen noch weit mehr gefallen und noch weit mehr von euch gelobt werden müssen, wenn sie denen der Könige gleichkommen oder sie noch übertreffen. Deshalb habe ich mir vorgenommen, euch eine rühmenswerte und großmütige Handlung zu berichten, die sich zwischen zwei befreundeten Bürgern zutrug.
    Zu der Zeit also, als Octavianus Caesar noch nicht Augustus genannt wurde, sondern in dem Amte, welches man das Triumvirat nannte, das Römische Reich regierte, lebte in Rom ein edler Bürger namens Publius Quinctius Fulvus, der seinen Sohn, Titus Quinctius Fulvus genannt, wegen seiner großen Begabung nach Athen sandte, um dort die Philosophie zu erlernen, und ihn zu diesem Zwecke nach Kräften einem edlen Bürger namens Chremes empfahl, der von alters her sein Freund war. Von diesem wurde Titus in sein eigenes Haus aufgenommen und seinem Sohne beigesellt, welcher Gisippus hieß. Unter der Anleitung eines Weltweisen, namens Aristipp, wurden nun Titus und Gisippus von Chremes zur Erlernung der Philosophie angehalten.
    Während die beiden Jünglinge so miteinander verkehrten, erzeugte bald die große Übereinstimmung in ihren Sitten und Gewohnheiten eine so enge Brüderschaft und große Freundschaft zwischen ihnen, daß diese nachher durch keine anderen Unfälle als durch den Tod allein getrennt werden konnte. Beide fühlten sich nur wohl oder ruhig, wenn sie zusammen waren. Ihre Studien hatte sie gemeinschaftlich begonnen, und da beide mit gleich großen Anlagen ausgestattet waren, so erstiegen sie im gleichen Schritt zu ihrem höchsten Ruhme die glorreichen Höhen der Weltweisheit.
    In dieser Lebensweise brachten sie zur großen Freude des Chremes, der keinen dem ändern als Sohn vorzog, wohl drei Jahre zu. Nach deren Ablauf geschah es, wie dies allen Dingen zu geschehen pflegt, daß Chremes, der schon alt war, aus dem Leben schied, worüber beide gleiche Trauer wie über einen gemeinsamen Vater trugen, so daß die Freunde und Verwandten des Chremes nicht zu unterscheiden wußten, wer von den beiden wegen des ihnen zugestoßenen Unglücks mehr zu trösten sei. Nach einigen Monaten ereignete es sich jedoch, daß die Freunde des Gisippus und seine Verwandten ihn aufsuchten und ihm gemeinschaftlich mit Titus zuredeten, eine Frau zu nehmen, und für ihn sodann eine Jungfrau von großer Schönheit und edler Abstammung aussuchten, die Sophrania hieß, Bürgerin von Athen und etwa fünfzehn Jahre alt war.
    Nicht lange Zeit vor der verabredeten Hochzeit bat Gisippus eines Tages den Titus, daß er mit ihm kommen möge, um seine Braut zu sehen, die dieser bis dahin noch nicht erblickt hatte. Als sie in deren Haus gelangt waren und sie nun so zwischen beiden saß, begann Titus, um die

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