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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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sie einem Schuft, einem Elenden oder einem Sklaven gegeben hätte? Welche Ketten, welcher Kerker und welches Kreuz genügten euch dann? Doch lassen wir das jetzt. Die Zeit, die ich noch nicht erwartete, ist gekommen; mein Vater ist gestorben, und ich muß nach Rom zurück. Da ich nun Sophronia mit mir nehmen will, so habe ich euch entdeckt, was ich euch sonst vielleicht noch verborgen hätte. Seid ihr klug, so werdet ihr dies froh hinnehmen; denn hätte ich euch betrügen oder beschimpfen wollen, so konnte ich sie euch ja entehrt zurücklassen. Aber das wolle Gott nicht, daß je in einer römischen Brust solche Verworfenheit wohnen könnte.
    Sie also, Sophronia, ist mit der Einwilligung der Götter, durch die Kraft irdischer Gesetze, durch die lobenswerte Klugheit meines Gisippus und durch meine liebende List die Meinige geworden. Dies verdammt ihr nun, vielleicht weil ihr euch für weiser haltet als andere Menschen, töricht genug auf zweierlei Weise, deren jede mir widerwärtig ist; zuerst, indem ihr Sophronia zurückhaltet, auf die ihr weiter kein Recht habt als das, welches ich euch einräume, und zweitens, indem ihr den Gisippus, dem ihr zu hohem Dank verpflichtet seid, wie einen Feind behandelt. Wie töricht ihr an beidem tut, das will ich euch jetzt nicht weiter auseinandersetzen; nur als Freunden will ich euch raten, euren Zorn abzulegen, euren Unwillen zu begraben und mir Sophronia zurückzugeben, damit ich froh als euer Verwandter scheide und als der eurige leben kann. Denn dessen seid gewiß, mag euch nun gefallen oder nicht, was geschehen ist: wenn ihr anders zu handeln gedenkt, so nehme ich den Gisippus mit mir, und wahrlich, sobald ich nach Rom gelange, will ich, euch allen zum Trotz, schon die zurückerhalten, welche rechtmäßig die Meine ist. Durch die Erfahrung will ich euch dann belehren, was der Zorn einer römischen Seele vermag, indem ich für alle Zeit euer Feind bin.«
    Nachdem Titus so gesprochen hatte, erhob er sich mit zorniger Miene, ergriff den Gisippus bei der Hand, und indem er zu erkennen gab, wie wenig er sich aus all denen machte, die im Tempel waren, verließ er denselben mit erhobenem Haupt und drohender Gebärde.
    Die, welche darin zurückgeblieben waren, erachteten nun einmütig, teils durch die von Titus vorgebrachten Gründe zu seiner Verwandtschaft und Freundschaft hingezogen, teils von seinen letzten Worten erschreckt, daß es besser sei, den Titus als Schwager anzunehmen, da Gisippus es nicht habe sein wollen, als den Gisippus als Schwager verloren und den Titus zum Feind gewonnen zu haben. Deshalb eilten sie, den Titus wieder aufzusuchen und ihm zu sagen, es sei ihnen genehm, daß Sophronia die Seine sei, und sie wollten hinfort sowohl ihn für ihren werten Verwandten, als den Gisippus für ihren guten Freund ansehen. Hierauf begrüßten sie sich mit aller Herzlichkeit wechselseitig als Verwandte und Freunde, und wieder heimgekehrt, sandten Sophronias Verwandte ihm diese zurück. Klug wie sie war, machte sie aus der Not eine Tugend und übertrug die Liebe, die sie für Gisippus empfunden hatte, bald auf Titus, ging mit ihm nach Rom und wurde hier mit großen Ehren empfangen.
    Gisippus blieb indessen in Athen zurück. Allein, fast von allen gering geachtet, ward er nicht lange darauf durch gewisse Zwistigkeiten unter der Bürgerschaft mit allen Angehörigen seines Hauses arm und elend aus Athen verjagt und zu ewiger Verbannung verurteilt. In diesem Zustande, und nicht bloß arm, sondern zum Bettler geworden, schleppte sich Gisippus nach Rom, so gut er's vermochte, um zu versuchen, ob Titus sich seiner noch erinnerte. Nachdem er erfahren hatte, daß jener noch lebe und bei allen Römern in großem Ansehen stehe, erforschte er sein Haus, stellte sich vor dasselbe hin und harrte so lange, bis Titus herauskam. Bei dem Elend, in dem er sich befand, wagte er es nicht, ihn anzureden, sondern sann darauf, sich ihm bemerklich zu machen, damit Titus ihn erkenne und alsdann herbeirufen lasse. Doch Titus ging vorüber, und da Gisippus glaubte, er habe ihn gesehen und schäme sich seiner, so eilte er, in der Erinnerung an das, was er einst für ihn getan hatte, von Unwillen und Verzweiflung ergriffen, von dannen.
    Es war bereits Nacht geworden, und während er noch nüchtern, ohne Geld und ohne zu wissen wohin, vor allem nach dem Tode verlangend, umherirrte, geriet er in eine sehr wüste Gegend der Stadt. Hier erblickte er eine weite Grotte und trat in diese ein, um hier die Nacht

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