Das Dekameron
eine es mit dem Vater, die andere es mit dem Sohne hielt. Durch diesen Krieg wurden denn auch dem Alessandro alle Schlösser der Barone, die ihm verpfändet waren, entrissen, und keine der ändern Einkünfte gewährte ihm bessere Sicherheit. Da man jedoch von einem Tag zum ändern auf den Frieden zwischen Vater und Sohn hoffte, demzufolge dem Alessandro alles, sowohl Zinsen als Kapital, hätte wiedererstattet werden müssen, verließ dieser die Insel nicht, und die drei Brüder, die in Florenz wohnten und ihren Aufwand in keiner Weise beschränkten, borgten täglich mehr Geld zusammen. Als indes im Verlauf mehrerer Jahre die gehegten Hoffnungen sich nicht erfüllten, verloren jene drei Brüder nicht nur ihren Kredit, sie wurden auch auf Verlangen ihrer Gläubiger, die bezahlt sein wollten, gefangengesetzt und mußten, da ihre Besitzungen nicht ausreichten, um die Schulden zu decken, wegen des Restes im Gefängnis bleiben. Ihre Frauen aber und ihre kleinen Kinder suchten teils auf den Dörfern, teils hie und da in gar dürftigen Umständen ihr Unterkommen, ohne für die Zukunft etwas anderes als Not und Elend erwarten zu können.
Alessandro hatte inzwischen in England mehrere Jahre lang vergebens auf den Frieden gewartet. Als er aber noch immer keine Aussicht dazu sah und sein längeres Verweilen ihm nicht minder lebensgefährlich als unnütz zu sein schien, entschloß er sich, nach Italien zurückzukehren, und machte sich ganz allein auf den Weg.
Da traf es sich nun, daß zugleich mit ihm ein Abt in weißem Ordensgewand von Brüssel abreiste, dem viele Mönche Gesellschaft leisteten und zahlreiche Dienerschaft mit Saumrossen voranzog. Hinter dem Abt folgten zwei Edelleute aus altem, dem König verwandten Geschlecht, die Alessandro von früher her kannte. Als er sich daher zu ihnen gesellte, nahmen sie ihn willig auf. Im Weiterreiten fragte er sie mit geziemender Bescheidenheit, wer die Mönche wären, die mit so vieler Dienerschaft vorausritten, und wohin sie reisten. »Der vorderste«, erwiderte einer der beiden Edelleute, »ist ein junger Vetter von uns, der kürzlich zum Abt einer der größten Abteien Englands gewählt worden ist. Weil er aber jünger ist, als die Gesetze für dieses Amt vorschreiben, gehen wir jetzt mit ihm nach Rom, um den Heiligen Vater zu bitten, daß er ihm wegen seines ungenügenden Alters Dispens erteile und ihn dann in seiner Würde bestätige; doch davon darf noch nicht geredet werden.« Unterwegs ritt der junge Abt bald vor, bald hinter seiner Dienerschaft, wie wir das täglich sehen, wenn große Herren über Land reisen, und so bemerkte er denn auch einmal den Alessandro, der zufällig in seine Nähe gekommen war.
Alessandro war ein junger Mann von schönem Wuchs und einnehmenden Gesichtszügen und so wohlgesittet und unterhaltend, als man es nur sein kann. In der Tat gefiel er dem Abt im ersten Augenblick auf eine so erstaunliche Weise, wie ihm nie zuvor etwas anderes gefallen hatte. Er rief ihn zu sich, fing freundlich mit ihm zu reden an und fragte ihn, wer er sei, woher er komme und wohin er gehe. Alessandro gab ihm auf seine Fragen volle Auskunft, eröffnete ihm unverhohlen seine ganze Lage und erbot sich, so gering auch seine Kräfte seien, zu jedem Dienste. Als der Abt diese verständige und wohlgesetzte Antwort hörte, als er Alessandros feine Bildung im einzelnen genauer beobachtete und bei sich selbst erwog, daß jener, ungeachtet seines niedrigen Geschäfts, dennoch ein Edelmann sei, wurde sein Wohlgefallen an ihm immer lebhafter. Voll Mitleid mit seinen Unglücksfällen ermunterte er ihn zutraulich und hieß ihn gute Hoffnung hegen; denn wenn er nur ein wackerer Mann sei, werde Gott ihn wieder an dieselbe Stelle, von welcher er ihn verstoßen habe, ja vielleicht an eine noch höhere setzen. Übrigens bat er ihn, da seine Reise nach Toskana gerichtet sei und auch er ein gleiches Ziel habe, ihm unterwegs Gesellschaft zu leisten. Alessandro dankte für so freundlichen Zuspruch und erklärte sich zu allem bereit, was jener ihm beföhle.
Von neuen Empfindungen bewegt, die der Anblick Alessandros in ihm geweckt hatte, setzte der Abt seine Reise fort, und nach einigen Tagen langte die Gesellschaft in einem Dorfe an, das mit Wirtshäusern gar spärlich versehen war. Da jedoch der Abt eben hier einkehren wollte, veranlaßte ihn Alessandro, im Hause eines Wirts abzusteigen, mit dem er von früherer Zeit her befreundet war, und sorgte dafür, daß ihm ein Zimmer gerichtet wurde,
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