Das Dekameron
Nacht aneinander, zu großer beiderseitiger Lust. Als der Tag anbrach und beide sich über ihr künftiges Betragen verabredet hatten, stand Alessandro auf und verließ die Stube, so wie er hereingekommen war, ohne daß jemand erfuhr, wo er in dieser Nacht geschlafen hatte. Dann machte der Abt sich hochvergnügt mit seiner Gesellschaft wieder auf den Weg, und nach einer Anzahl Tagereisen kamen sie endlich in Rom an.
Kaum hatten sie sich hier einige Tage ausgeruht, so wartete der Abt mit den beiden Edelleuten und mit Alessandro dem Papste auf und fing nach der geziemenden Begrüßung also zu reden an: »Heiliger Vater, Euch muß es besser als jedem ändern bekannt sein, daß, wer rechtlich und ehrbar leben will, nach Kräften jeden Anlaß vermeiden muß, der ihn anders zu handeln verleiten könnte. Da ich nun gesonnen bin, solcherart zu leben, bin ich, um jener Regel vollkommen zu genügen, in der Tracht, in der ich vor Euch stehe, vom Hofe meines Vaters, des Königs von England, geflohen und habe einen großen Teil seiner Schätze mit mir genommen. Dieser wollte mich nämlich, so jung ich bin, an den König von Schottland, einen steinalten Herrn, verheiraten. Ich aber habe mich hierher auf den Weg gemacht, damit Eure Heiligkeit mich vermählen möge. Auch hat mich nicht sowohl das Alter des Königs von Schottland zur Flucht bewogen, als die Furcht, ich könnte infolge meiner jugendlichen Schwäche mich nach meiner Heirat wider die göttlichen Gesetze und wider die Ehre des königlichen Blutes versündigen. Während ich nun in solcher Absicht hierher reiste, hat mir Gott, der allein vollkommen weiß, was einem jeden not tut, nach seiner Barmherzigkeit den vor die Augen geführt, der, wie ich glaube, nach seinem Willen mein Gemahl sein soll, und das ist dieser junge Mann« - dabei zeigte sie auf Alessandro -, »den Ihr hier an meiner Seite seht und dessen edle Sitten und wackeres Benehmen jeder noch so hochgeborenen Dame würdig sind, wenn auch vielleicht der Adel seines Blutes dem königlichen nachstehen muß. Ihn also habe ich mir auserlesen, ihn will ich zum Gemahl, und nie werde ich einen ändern nehmen, was auch mein Vater oder die Welt dazu sagen mögen. Dadurch wäre eigentlich der Hauptgrund meiner Reise erledigt gewesen. Dennoch habe ich sie vollenden wollen, teils um die heiligen und ehrwürdigen Stätten zu besuchen, von denen diese Stadt so voll ist, und um Eure Heiligkeit selbst zu sehen, teils aber auch, um die zwischen Alessandro und mir bisher allein im Angesichte Gottes geschlossene Ehe Euch und infolgedessen den übrigen Menschen zu offenbaren. So bitte ich Euch denn flehentlich, was Gott und mir gefallen hat, Euch ebenfalls genehm sein lassen zu wollen und uns Euren Segen zu erteilen, auf daß wir mit ihm als einem sicheren Unterpfand der Billigung dessen, den Ihr auf Erden vertretet, zu Gottes und zu Eurer Ehre leben und endlich dereinst sterben können.«
Alessandro erstaunte, als er vernahm, seine Gattin sei die Tochter des Königs von England, und innige, aber heimliche Freude erfüllte sein Herz. Mehr aber noch erstaunten die beiden Edelleute, und sie wurden darüber so unwillig, daß sie, wenn sie vor einem anderen als dem Papste gestanden hätten, sich gegen den jungen Mann und vielleicht auch gegen die Dame tätlich vergangen hätten. Auf der ändern Seite erstaunte auch der Papst über die Tracht der Dame und über ihren Entschluß. Da er jedoch einsah, daß das Geschehene nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, beschloß er, ihrer Bitte zu willfahren. Vor allen Dingen beruhigte er die beiden Edelleute, deren Unwillen er bemerkt hatte, und stellte ihr gutes Vernehmen mit der Dame und mit Alessandro wieder her. Dann ordnete er an, was ferner geschehen solle.
Als hierauf der von ihm festgesetzte Tag herangekommen war, berief er in Gegenwart sämtlicher Kardinäle und anderer Vornehmer, die auf seine besondere Einladung zu einem glänzenden Feste erschienen waren, die Dame, welche in königlichem Schmucke so reizend und anmutig erschien, daß sie von allen verdientes Lob erwarb, und den Alessandro, der, ebenfalls königlich geschmückt, nicht für einen jungen Mann, der auf Wucherzinsen geliehen, sondern für einen königlichen Prinzen gehalten werden konnte, wie ihm denn in der Tat von den beiden Edelleuten viel Ehre erwiesen wurde. Hier ließ der Papst das Eheverlöbnis von neuem feierlich begehen, und nachdem die Hochzeit festlich und prachtvoll gefeiert worden war, verabschiedete
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