Das Dekameron
das unter allen im Hause noch am mindesten unbequem gelegen war. Alessandro war ohnehin eine Art Haushofmeister des Abtes geworden, und in dieser Eigenschaft brachte er das übrige Gefolge, so gut er konnte, in den benachbarten Häusern unter, wo er ebenfalls wohlbekannt war.
Als nun der Abt zu Abend gespeist hatte und es schon so spät in der Nacht geworden war, daß alle Leute sich schlafen gelegt hatten, fragte Alessandro den Wirt, wo er selber schlafen könne. »Das weiß ich wirklich nicht«, antwortete der Wirt. »Du siehst, alles ist besetzt, und kannst dich überzeugen, daß meine Angehörigen auf den Bänken schlafen. In der Stube des Abts wären freilich noch einige Kornladen; da könnte ich dich hinführen, ein paar Betten darauflegen, und wenn dir's recht wäre, würdest du die Nacht, so gut es gehen will, darauf schlafen.« Alessandro entgegnete: »Wie soll ich jetzt noch in des Abtes Stube gehen, die überdies so klein ist, daß keiner seiner Mönche darin hat schlafen können? Hätte ich's gewußt, ehe die Vorhänge zugezogen wurden, so hätte ich auf dem Kornkasten ein paar Mönche schlafen lassen und wäre selbst dahin gegangen, wo die jetzt sind.« Darauf sagte der Wirt: »Es ist doch nun einmal so, und du findest dort, wenn du willst, das beste Lager von der Welt. Der Abt schläft, und die Vorhänge sind zugezogen. Ich bringe dir in aller Stille ein Kissen, und du schläfst da.« Als Alessandro sah, daß die Sache sich einrichten ließ, ohne dem Abt beschwerlich zu fallen, willigte er ein und legte sich so leise wie möglich zurecht.
Der Abt aber schlief noch nicht, sondern hing seinem neuerregten Verlangen leidenschaftlich nach und hatte alles gehört, was Alessandro und der Wirt miteinander gesprochen und wo jener sich niedergelegt hatte. In seinem Innern hocherfreut, sagte er zu sich selber: »Gott hat mir Gelegenheit zur Erfüllung meiner Wünsche gegeben. Wenn ich sie vorübergehen lasse, wird für lange Zeit eine ähnliche nicht so leicht wiederkommen.« Entschlossen also, sie zu nutzen, rief er, sobald alles im Hause still zu sein schien, den Alessandro mit leiser Stimme und forderte ihn auf, sich zu ihm ins Bett zu legen. Alessandro widerstrebte anfangs, dann aber entkleidete er sich und legte sich nieder. Sogleich legte der Abt ihm die Hand auf die Brust und begann ihn nicht anders zu betasten, als es lüsterne Mädchen bei ihren Liebhabern tun. Alessandro war darüber nicht wenig erstaunt und dachte, den Abt treibe vielleicht eine schändliche Liebe, ihn also zu betasten. Dieser erriet indes, entweder aus Alessandros Benehmen oder aus innerer Ahnung, diesen Verdacht, zog rasch das Hemd aus, das er noch anhatte, ergriff die Hand des jungen Mannes, legte sie auf seine Brust und sagte: »Alessandro, verbanne deinen törichten Wahn und erkenne hier, was ich bisher verbarg.« Alessandros Hand hatte inzwischen auf der Brust des Abtes zwei runde, feste und zarte Hügel entdeckt, die sich nicht anders anfühlten, als seien sie von Elfenbein, und kaum hatte er diese gefunden und sogleich erkannt, daß er neben einem Mädchen lag, so hatte er es auch, ohne eine weitere Aufforderung abzuwarten, in den Arm genommen und wollte es schon zu küssen anfangen, als es ihn mit folgenden Worten unterbrach:
»Ehe du mir näherkommst, höre erst, was ich dir sagen will. Ich bin, wie du dich überzeugt haben wirst, ein Mädchen und kein Mann. Als Jungfrau habe ich meine Heimat verlassen und habe zum Papst reisen wollen, damit er mich vermähle. Zu deinem Glück oder vielmehr zu meinem Unstern bin ich vor einigen Tagen, als ich dich zum ersten Male sah, in solcher Liebe zu dir entbrannt, daß vielleicht nie ein Weib einen Mann heftiger geliebt hat. Deshalb habe ich beschlossen, lieber dich als irgendeinen ändern zum Manne zu nehmen. Willst du mich aber nicht zur Frau, so verlasse mich augenblicklich und kehre wieder zu deiner Schlafstelle zurück.«
Obwohl Alessandro sie nicht kannte, so schloß er doch mit Rücksicht auf die Gesellschaft, in der sie reiste, sie müsse vermögend und von gutem Stande sein, und daß sie schön war, sah er selbst. So antwortete er denn, ohne sich eben lange zu besinnen, wenn es ihr lieb sei, so sei es ihm höchst erwünscht. Nun setzte sie sich im Bett auf, gab ihm einen Ring in die Hand und befahl ihm, sich vor einem Bilde, das dort hing und auf welchem unser Heiland abgebildet war, ihr zu verloben. Dann umarmten sie sich und ergötzten sich während des übrigen Teils der
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