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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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nachzukommen, und er fand die junge Dame mit der wenigen Begleitung, die ihr geblieben war, unter dem Schnabel des Schiffes ganz furchtsam verborgen. Sobald die Frauen ihn erblickten, flehten sie ihn weinend um Mitleid an und suchten, als sie sahen, daß er sie ebensowenig verstand wie sie ihn, ihm ihr Unglück durch Zeichen begreiflich zu machen. Der Diener merkte sich alles, so gut er konnte, und erzählte dann dem Pericone, was er auf dem Schiffe gesehen hatte. Dieser ließ sogleich die Frauen und die kostbarsten Dinge, die sich auf dem Wrack befanden und erreicht werden konnten, an Land bringen und ging mit ihnen auf sein Schloß, wo er sie durch Speise und durch Ruhe erquickte. Aus den kostbaren Geräten erriet er, daß die Dame, die er gefunden, von gar vornehmer Herkunft sein müsse. Auch erkannte er dies bald aus der Ehrerbietung, welche die ändern ihr allein bewiesen. Zudem schienen ihm, der Blässe und des Übelbefindens ungeachtet, welche die Unbilden des Meeres hervorgebracht, die Formen ihres Leibes von großer Schönheit zu sein, weshalb er augenblicklich bei sich beschloß, sie zur Frau zu nehmen, wenn sie noch keinen Gatten haben sollte, oder ihre Freundschaft zu gewinnen, wenn er sie nicht zur Frau haben könnte.
    Pericone war ein Mann von kräftigem Aussehen und gewaltigem Gliederbau. Als er die Dame einige Tage lang auf das beste hatte bewirten lassen und sie sich wieder vollkommen erholt hatte, fand er sie noch um vieles schöner, als er vermutet, und gab sich deshalb alle Mühe, sie durch Liebkosungen und zärtliches Benehmen zu bewegen, daß sie ihm ohne Widerstreben zu Willen wäre. Er war von ihrer Schönheit leidenschaftlich entflammt, obgleich sie zu seinem großen Bedauern weder ihn noch er sie verstehen konnte, doch blieben alle seine Versuche ganz vergeblich. Je mehr sie indes seine Vertraulichkeiten von sich wies, desto höher loderte Pericones Glut. Als die junge Dame dies gewahr wurde und nach einigen Tagen aus den Sitten der Menschen schon erraten hatte, daß sie Christen seien, leuchtete ihr ein, daß sie mit der Zeit durch Güte oder Gewalt den verliebten Anforderungen Pericones werde nachgeben müssen und daß ihr unter diesen Umständen, selbst wenn sie sich hätte verständlich machen können, nichts daran liegen konnte, gekannt zu werden. Demzufolge beschloß sie, mit festem Mut ihrem widerwärtigen Schicksal entgegenzutreten, und befahl ihren Begleiterinnen, deren ihr nur drei geblieben waren, niemand jemals zu offenbaren, wer sie seien; es wäre denn, daß sich ihnen dadurch sichere Rettung böte. Außerdem ermunterte sie dieselben auf das nachdrücklichste, ihre Keuschheit zu bewahren, und versicherte, daß sie selbst entschlossen sei, sich niemand als ihrem Gemahl hinzugeben. Die Mädchen lobten ihren Entschluß und versprachen, den Befehlen nach Kräften zu gehorchen.
    Pericone aber entbrannte täglich um so mehr, je näher er sich dem geliebten Gegenstand sah und je mehr ihm alle Gunst verweigert wurde, so daß er endlich, als alle seine Aufmerksamkeiten vergeblich blieben, sich entschloß, Schlauheit und Trug anzuwenden, um erst im äußersten Fall seine Zuflucht zur Gewalt zu nehmen. Nun hatte er einige Male gemerkt, daß die junge Dame, die dem Verbot ihrer Religion zufolge des Weines ungewohnt war, an diesem besonderen Gefallen fand, und er hoffte deshalb, sie durch den Wein, den Diener der Venus, zu fangen. Zu diesem Ende stellte er sich, als ob ihn ihre Ungefügigkeit nicht störe, und ordnete eines Tages ein kostbares und festliches Abendessen an, zu dem die Dame auch wirklich erschien. Die Tafel war in jeder Weise glänzend bestellt; Pericone aber hatte demjenigen, welcher der Dame aufwartete, den Befehl gegeben, ihr mehrerlei Weine zusammenzumischen, und dieser vollzog den erhaltenen Auftrag auf das beste. Die Dame, die keinen Argwohn hegte und von dem Wohlgeschmack des Getränks verleitet ward, genoß davon mehr, als ihrer Ehrbarkeit gut tat. Der Wein machte sie mit der Zeit so lustig, daß sie all ihr vergangenes Ungemach vergaß, und als sie einige Mädchen nach der Weise von Majorca tanzen sah, fing sie selbst nach alexandrinischem Brauch zu tanzen an. Als Pericone das bemerkte, glaubte er sich dem Ziele seiner Wünsche nahe. Indem er fortwährend neue Speisen und Getränke auftischen ließ, dehnte er das Mahl bis weit in die Nacht hinein aus. Endlich entfernten sich die Gäste, und Pericone ging allein mit der Dame in deren Gemach, wo sie, vom Weine mehr

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