Das Dekameron
aufgeregt als von der Sittsamkeit im Zaume gehalten, sich in Pericones Gegenwart ohne Scham und Scheu, als ob er eine ihrer Frauen wäre, entkleidete und zu Bett legte. Dieser zögerte nicht, ihr zu folgen, löschte alle Lichter aus, legte sich dann eilig auf der ändern Seite neben ihr nieder, umfing sie mit seinen Armen und begann, ohne Widerstand von ihrer Seite, die Früchte der Liebe zu pflücken. Als Alatiel, die zuvor nicht gewußt hatte, mit was für einem Horn die Männer stoßen, das einmal empfunden, tat es ihr fast leid, sich gegen Pericones Bitten so lange gesträubt zu haben, und in Zukunft lud sie sich, ohne weitere Aufforderungen abzuwarten, oftmals selbst, zwar nicht mit Worten, denn mit denen konnte sie sich nicht verständigen, wohl aber durch die Tat zu so süßen Nächten ein.
Doch es genügte dem Schicksal noch nicht, sie von der Braut eines Königs zur Bettgenossin eines Burgherrn gemacht zu haben, und ihre und Pericones Freuden wurden durch eine grausamere Leidenschaft unterbrochen. Pericone hatte nämlich einen Bruder namens Marato, der fünfundzwanzig Jahre alt und schmuck und frisch wie eine Rose war. Dieser nun hatte, sobald er Alatiel gesehen, das größte Gefallen an ihr gefunden und an ihren Gebärden zu bemerken geglaubt, daß er gut bei ihr angeschrieben sei. So meinte er denn, daß allein die strenge Aufsicht, unter der Pericone sie hielt, ihn daran hinderte, die Erfüllung seiner Wunsche von ihr zu erlangen. Er faßte darum einen ruchlosen Vorsatz, dem die schändliche Tat auf dem Fuße folgte. Es traf sich, daß eben um jene Zeit im Hafen der Stadt ein Schiff vor Anker lag, das, mit Waren beladen, unter der Leitung zweier junger Genuesen nach Chiarenza in Romania absegeln sollte. Schon waren die Segel aufgezogen, um, sobald der Wind günstig würde, abreisen zu können. Mit diesen Schiffern kam Marato dahin überein, daß sie in der nächsten Nacht ihn mitsamt der jungen Dame an Bord nehmen sollten.
Nachdem diese Verabredungen getroffen waren und es zu nachten begann, machte Marato, der sich schon ausgesonnen hatte, was er tun wollte, sich mit ein paar zuverlässigen Gefährten auf und schlich in Pericones Haus, wo er sich ungesehen versteckte. Als schon ein Teil der Nacht verstrichen war, öffnete Marato seinen Gefährten das Haus und führte sie in das Zimmer, wo Pericone mit seiner Geliebten schlief. Schnell töteten sie diesen im Schlaf. Als aber die Dame erwachte und zu weinen begann, drohten sie ihr beim mindesten Geräusch mit dem Tode und brachten sie nebst einem großen Teil der bedeutendsten Kostbarkeiten Pericones eilig ans Ufer, ohne von jemand bemerkt zu werden. Hier bestiegen Marato und die Dame das Schiff, und seine Gefährten kehrten zurück. Die Schiffer aber spannten vor dem günstigen, frischen Winde die Segel auf und fuhren ab. Die Dame beklagte sich anfangs bitter, sowohl über ihr erstes Unglück als auch über dieses zweite. Marato aber wußte sie, den uns von Gott geschenkten heiligen Crescentius in der Hand, solchergestalt zu trösten, daß sie zahm gegen ihn wurde und den Pericone vergaß.
Schon glaubte sie wieder gut daran zu sein, als das Schicksal, dem die vorigen Unfälle noch nicht genügten, ihr neues Ungemach bereitete. Die beiden jungen Schiffsherrn nämlich verliebten sich in ihre - wie schon öfter berichtet worden ist - wunderschöne Gestalt und in ihr anmutiges Betragen so, daß sie alles andere darüber vergaßen und nur bemüht waren, ihr zu dienen und Gefälligkeiten zu erweisen, ohne daß Marato deren Grund erraten konnte. Da sie bald gegenseitig ihre Leidenschaft bemerkten, besprachen sie sich darüber insgeheim und beschlossen, den Gegenstand ihrer gemeinsamen Liebe - als ob Liebe dergleichen vertrüge - wie eine Kaufmannsware oder einen Gewinn miteinander zu erwerben. Weil aber Marato sie eifersüchtig bewachte und so ihren Absichten entgegentrat, gingen sie eines Tages, während das Fahrzeug besonders schnell segelte, einträchtig auf Marato zu, der am Hinterteil stand und ohne Argwohn ins Meer blickte, faßten ihn plötzlich von hinten und warfen ihn in die See. Und sie hatten schon mehr als eine Meile zurückgelegt, ehe jemand gewahr wurde, daß Marato ins Meer gefallen war. Als es aber endlich die junge Dame erfuhr, fing sie abermals auf dem Schiffe zu weinen und zu klagen an. Sogleich eilten die beiden Liebenden herbei, um sie zu trösten, und redeten ihr, so wenig sie davon verstand, mit süßen Worten und großen Versprechungen
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