Das Dekameron
als Reisegefährtin aufnahmen, wieviel Ehre sie nebst ihren Frauen mir antaten, wäre zu weitläufig zu erzählen. Genug, wir gingen zu Schiffe und gelangten in einiger Zeit nach Baffa. Hier angekommen, ohne eine Menschenseele zu kennen, wußte ich nicht, was ich jenen Edelleuten sagen sollte, die mich infolge des Auftrags der ehrwürdigen Frau meinem Vater zuführen sollten. Doch führte mir Gott, der vielleicht Erbarmen mit mir hatte, in dem Augenblick, wo wir in Baffa an Land gingen, Antigonus am Ufer entgegen. Sogleich rief ich ihn an und sagte ihm in unserer Sprache, damit die Edelleute und ihre Frauen mich nicht verstehen sollten, er möge mich als seine Tochter aufnehmen. Er begriff mich sofort, bezeigte mir die größte Freude und bewirtete meine Reisegefährten und ihre Frauen, soweit es in seinen geringen Kräften stand. Dann führte er mich zum König von Zypern, und der hat mich so ehrenvoll aufgenommen, daß ich's nimmer erzählen könnte, und Euch zugesandt. Sollte noch etwas zu berichten übrig sein, so mag Antigonus es nachtragen, der mich diese meine Schicksale schon oft genug hat erzählen hören.«
Darauf wandte sich Antigonus dem Sultan zu und sagte: »Mein Gebieter, Eure Tochter hat Euch dasselbe erzählt, was ich oftmals sowohl aus ihrem Munde als auch aus dem der Edelleute vernommen habe, mit denen sie nach Zypern kam. Nur eines hat sie zu sagen unterlassen, und das mag sie, wie ich glaube, getan haben, weil sich nicht ziemt, daß sie selbst es erzählt. Ich meine nämlich, was mir jene Edelleute und Damen, mit denen sie gereist ist, von dem ehrbaren Leben, das sie mit den frommen Frauen geführt, und von ihren Tugenden und guten Sitten berichtet haben, und wie Männer und Frauen weinten und klagten, als sie sie bei mir zurücklassen und sich von ihr trennen mußten. Wollte ich Euch alles wiederholen, was mir jene über diesen Punkt gesagt haben, reichte weder der gegenwärtige Tag noch die kommende Nacht dazu aus. Nur so viel will ich hinzufügen, daß Ihr nach den Berichten jener Leute und nach dem, was ich selbst habe wahrnehmen können, Euch rühmen dürft, unter allen Herren, die eine Krone tragen, die schönste, sittsamste und trefflichste Tochter zu besitzen.«
Über dies alles freute der Sultan sich unbeschreiblich und bat Gott mehr als einmal, ihm die Gnade zu erzeigen, daß er jedem, der sich um seine Tochter verdient gemacht, angemessenen Dank beweisen könne, besonders aber dem König von Zypern, der sie ihm auf so ehrenvolle Weise zurückgesandt. Einige Tage darauf ließ er dem Antigonus äußerst kostbare Geschenke reichen, erlaubte ihm, nach Zypern zurückzukehren, und dankte dem König brieflich und durch besondere Gesandte auf das verbindlichste für alles, was er an seiner Tochter getan.
Nach all diesem wünschte der Sultan den ursprünglichen Vorsatz verwirklicht und Alatiel an den König von Algarbien vermählt zu sehen. Daher schrieb er diesem die ganze Geschichte und forderte ihn auf, nach ihr zu schicken, wenn er noch Wert auf ihren Besitz lege. Dem König von Algarbien waren diese Nachrichten sehr willkommen. Er ließ sie auf das ehrenvollste abholen und empfing sie voller Freuden. Dann legte sie, die von acht Männern vielleicht zehntausendmal beschlafen worden war, sich als Jungfrau neben ihm nieder, machte ihn glauben, daß sie es wirklich noch sei, und lebte lange Zeit als Königin glücklich mit ihm. Darum sagt man noch heute: »Neumond und geküßter Mund sind gleich wieder hell und frisch und gesund.«
Achte Geschichte
Der Graf von Antwerpen geht einer falschen Anschuldigung wegen in die Verbannung und läßt seine zwei Kinder an verschiedenen Orten in England. Als er später unerkannt zurückkehrt, findet er beide in glücklicher Lage. Er zieht als Stallknecht mit dem Heere des Königs von Frankreich, seine Unschuld wird entdeckt, und er gewinnt seine frühere Stellung wieder.
Die Damen hatten häufig geseufzt, als sie die mannigfachen Schicksale vernahmen, welche die schöne Alatiel betroffen. Wer weiß aber, was die Ursache jener Seufzer war? Vielleicht war die eine oder andere unter ihnen, die aus Verlangen nach ebenso zahlreichen Hochzeiten nicht minder als aus Mitleid seufzte. Indes, ich will mich für jetzt nicht mit einer solchen Untersuchung aufhalten, sondern sage, daß die Königin nach den letzten Worten des Panfilo sich zu Elisa wendete und dieser auftrug, mit einer neuen Geschichte die Reihe fortzusetzen. Elisa war dazu gern
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