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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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bereit und begann also:
    Wir ergehen uns heute auf einem weiten Plan, auf dem wohl ein jeder von uns nicht nur eine, sondern zehn und mehr Lanzen ohne Mühe zu brechen vermöchte, so reichen Vorrat an unerwarteten und harten Losen bietet uns das Schicksal. Aus dieser ungezählten Menge denn auch ich eine Geschichte heraus:
    Als das römische Kaiserreich von den Franzosen auf die Deutschen übergegangen war, entstanden zwischen den beiden Völkern große Feindschaft und anhaltende, erbitterte Kriege. Infolgedessen stellten einmal der König von Frankreich und sein Sohn mit aller Anstrengung des Reiches und mit aller Unterstützung der Freunde und Verwandten ein großes Heer auf, teils zur Verteidigung des eigenen Landes, teils aber auch, um das fremde anzugreifen. Bevor sie aber auszogen, ernannten sie, um das Reich nicht ohne Führung zu lassen, den Grafen Walter von Antwerpen, einen Mann von edlem Hause und großer Einsicht, der ihnen, wie sie wußten, besonders treu ergeben und befreundet war, zum allgemeinen Reichsverweser. Denn obgleich dieser in der Kriegskunst wohlerfahren war, so glaubten sie ihn dennoch mehr zu dem weichen Hofleben als zu den Anstrengungen des Kriegshandwerks geeignet.
    So fing denn Walter mit Verstand und Umsicht das ihm übertragene Amt auszuüben an und zog dabei jedesmal die Königin und ihre Schwiegertochter zu Rate, welche er beide, obgleich sie seiner Hut und Lenkung anvertraut waren, immer als seine Oberen und Gebieterinnen behandelte.
    Walter war ein schöner Mann zu nennen. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein und war wohlgesittet und unterhaltend, wie nur ein Edelmann sein kann. Dabei war er der anmutigste und zierlichste Ritter seiner Zeit und zeichnete sich durch reichgeschmückte Kleider vor allen ändern aus. Seine Frau war ihm bereits gestorben, und von ihr waren ihm nur ein Sohn und eine Tochter geblieben, die beide klein waren. So geschah es denn, daß, während der König von Frankreich und sein Sohn den erwähnten Krieg verfolgten und Walter deshalb den Hof der beiden Frauen oft besuchte und über die Angelegenheiten des Reiches mit ihnen sprach, die Gemahlin des Königssohnes ein Auge auf ihn warf, seine Gestalt und seine feinen Sitten mit leidenschaftlicher Vorliebe betrachtete und im verborgenen in glühender Liebe für ihn entbrannte. Da sie sich nun bewußt war, jung und hübsch zu sein, und es ihm an einer Frau fehlte, meinte sie, mit leichter Mühe zur Erfüllung ihres Wunsches zu gelangen. Da nach ihrem Dafürhalten nur ihre Scham im Wege stand, entschloß sie sich, diese völlig abzutun und sich ihm ganz zu offenbaren.
    In dieser Absicht schickte sie eines Tages nach ihm, als sie eben allein war und die Zeit ihr zu ihrem Vorhaben gelegen schien, als ob sie über andere Dinge mit ihm zu reden habe. Der Graf, dessen Gesinnung von den Wünschen der Dame weit entfernt war, gehorchte diesem Befehle augenblicklich. Schon hatte er sich auf ihr Geheiß in einem Gemache, in welchem er mit ihr allein war, neben sie auf ein Ruhebett gesetzt und sie zweimal, ohne Antwort zu erhalten, nach der Ursache gefragt, um derentwillen sie ihn habe kommen lassen, als sie endlich, von der Liebe überwältigt, purpurrot vor Scham, zitternd und stammelnd also zu reden begann: »Teurer und geliebter Freund, dem ich angehöre! Euch als einem so verständigen Manne ist die Schwachheit sicherlich nicht unbekannt, der Männer sowohl als auch Frauen unterliegen, obgleich ihr unter den Frauen aus verschiedenen Gründen die eine mehr als die andere unterworfen ist. Mit Rücksicht darauf wird ein gerechter Richter dieselbe Sünde nach Verschiedenheit der Personen nicht mit derselben Strafe belegen. Wer könnte wohl leugnen, daß ein armer Mann oder ein armes Weib, die sich ihren Lebensunterhalt durch eigenen Schweiß verdienen müssen, weit mehr zu tadeln sind, wenn sie sich von der Liebe verlocken lassen und ihren Reizen folgen, als eine Frau, die in Reichtum und Muße sich nichts von dem zu versagen gewohnt ist, wonach sie ein Verlangen empfindet? Gewiß niemand. So glaube ich denn, daß die erwähnten Umstände sehr ins Gewicht fallen und jene Frau hinreichend entschuldigen, die sich so weit vergißt, der Liebe Gehör zu geben. Hat aber die Liebende sich außerdem einen verständigen und ehrenwerten Geliebten erkoren, so meine ich, vollendet dies ihre Entschuldigung. Nun trifft, wie mich dünkt, nicht allein beides in mir zusammen, sondern mich verleiten überdies noch manche andere Ursachen

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