Das Dekameron
Pierrots Frau wurde herbeigeholt, und alle lebten in großen Freuden mit dem Grafen zusammen, den der König in alle seine Güter wieder eingesetzt und mit größeren Würden begabt hatte als je zuvor. Dann beurlaubten sich alle und kehrten in ihre Heimat zurück. Er aber lebte noch viel ruhmvoller als zuvor bis an sein Ende in Paris.
Neunte Geschichte
Bernabo von Genua verliert durch Ambrogiuolos Betrug sein Vermögen und befiehlt, daß seine unschuldige Frau getötet werde. Sie entkommt und dient in Männerkleidern dem Sultan. Dann entdeckt sie den Betrüger und veranlaßt Bernabo, nach Alexandrien zu kommen. Der Betrüger wird bestraft, und sie kehrt, wieder im Frauengewand, mit ihrem Manne reich nach Genua zurück.
Als Elisa durch die rührende Geschichte des Grafen von Antwerpen ihre Pflicht erfüllt hatte, sann Filomena, die Königin, die schön und von schlanker Gestalt war und deren Gesichtszüge noch mehr Anmut und Freundlichkeit hatten als die der ändern, einen Augenblick nach und sagte dann: »Wir müssen dem Dioneo schon Wort halten, und so will ich denn, da nur er und ich noch zu erzählen haben, meine Geschichte zuerst Vorbringen, und er mag, wie er sich's ausgebeten, der letzte sein, der für heute erzählt.« Nachdem sie so gesprochen hatte, begann sie:
Im Volke geht das Sprichwort um: »Wer ändern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.« Dieses Sprichwort kann aber nur wahr sein, wenn es im Leben wirklich so zugeht. So ist mir eingefallen, euch, ohne mich dabei von der allgemeinen Aufgabe zu entfernen, an einem Beispiel zu zeigen, daß es auch wirklich so ist, wie man sagt. Laßt es euch nicht gereuen, meine Geschichte zu hören, aus der ihr lernen könnt, wie man vor Betrügern auf der Hut sein muß.
Es waren einmal in einem Wirtshaus zu Paris etliche italienische Großkaufleute zusammen, die um verschiedener Geschäfte willen, wie sie ihr Beruf mit sich bringt, dorthin gekommen waren. Diese begannen eines Abends nach fröhlich beendetem Essen allerlei Gespräche. Das eine brachte sie auf das andere, und so kamen sie endlich auf ihre Frauen zu sprechen, die sie daheim gelassen. Da sagte einer lachend: »Was meine tut, das weiß ich nicht. Das eine aber weiß ich wohl: wenn mir hier ein Dirnchen nach meinem Geschmack über den Weg läuft, dann lasse ich die Liebe zu meiner Frau links liegen und nehme alles mit, was ich von jener kriegen kann.« Darauf sagte ein anderer: »Ich mach's ebenso. Denn bilde ich mir ein, daß meine Frau sich derweil einen Zeitvertreib sucht, so tut sie's; bilde ich's mir nicht ein, so tut sie's doch. Also ist es besser, man rechnet miteinander ab; wie der Esel in den Wald schreit, so schallt es wieder heraus.« Die Meinung des dritten kam auf dasselbe hinaus, und mit einem Wort, die Anwesenden schienen alle darin übereinzustimmen, daß ihre zurückgelassenen Frauen die Zeit schwerlich ungenutzt lassen möchten.
Nur ein einziger, Bernabo Lomellino mit Namen und aus Genua, sagte das Gegenteil und versicherte, durch Gottes Gnade eine Frau zu besitzen, der alle Tugenden eines Weibes und mit wenigen Ausnahmen auch die eines Ritters oder Knappen in so hohem Maße zu eigen seien, daß sie vielleicht in ganz Italien nicht ihresgleichen habe. Denn sie sei schön von Gestalt und noch jung an Jahren, körperlich geschickt und rüstig, und es gebe keinerlei weibliche Arbeit, wie Seidenwirken und dergleichen, die sie nicht besser verstehe als jede andere. Ja, überdies sei kein Knappe und kein Diener zu finden, welchen Namen er auch tragen möge, der besser und aufmerksamer als sie eine herrschaftliche Tafel zu bedienen wisse; denn in allen Dingen sei sie wohlerzogen, umsichtig und verständig. Endlich rühmte er noch an ihr, daß sie besser als ein Ritter zu Pferde sitze und den Falken halte und besser als ein Kaufmann zu lesen, zu schreiben und zu rechnen wisse. Von diesem und vielem ändern Lobe kam er dann auf den Gegenstand des vorhergegangenen Gespräches und versicherte bei seinem Eide, daß keine sittsamere und keine keuschere Frau zu finden sei. Darum, fügte er hinzu, vertraue er fest darauf, daß sie sich niemals mit einem anderen Mann auf dergleichen Dinge einließe, selbst wenn er zehn Jahre lang oder immer vom Hause wegbliebe.
Unter den Kaufleuten, die also miteinander redeten, war ein junger Mann, Ambrogiuolo von Piacenza mit Namen, der über das Lob, das Bernabo seiner Frau zuletzt erteilt, überlaut zu lachen anfing und ihn höhnisch fragte,
Weitere Kostenlose Bücher