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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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selbst, oder, wenn er nicht mehr am Leben sei, seine Nachkommen wieder in den früheren Stand eingesetzt würden. Nicht lange nach diesem Geständnis starb die Königin, und ihre Leiche wurde ehrenvoll begraben.
    Als dem König diese Aussage seiner Gemahlin hinterbracht ward, beseufzte er zuerst das schwere Unrecht, das er einem so wackeren Manne angetan; dann aber ließ er im ganzen Heere und überdies noch weit und breit im Lande ausrufen, daß er den, der ihm Kunde vom Grafen von Antwerpen oder von seinen Kindern bringe, für jedes einzeln reich belohnen werde; denn der König habe aus den Geständnissen seiner Gemahlin entnommen, daß der Graf sich des Vergehens nicht schuldig gemacht habe, um dessentwillen er verbannt worden sei. Er beabsichtige deshalb, ihn in die alten Ehren und Würden wieder einzusetzen und ihm noch größere zu verleihen.
    Diesen Aufruf hörte auch der gräfliche Stallknecht, und da er wußte, daß sich wirklich alles so verhielt, ging er sogleich zu Jakob und bat diesen, ihn mit Pierrot zusammenzubringen, denn er wolle dem König zeigen, was dieser suche. Als sie nun alle drei zusammen waren, sagte der Graf zu Pierrot, der selbst schon daran dachte, sich zu entdecken: »Pierrot, Jakob, der hier steht, hat deine Schwester zur Frau, ohne jemals eine Mitgift bekommen zu haben. Damit aber deine Schwester nicht ohne Aussteuer sei, so will ich, daß er und niemand anders die große Belohnung erhalte, die der König dem verspricht, der dich anzuzeigen weiß. So möge er denn dich als den Sohn des Grafen von Antwerpen angeben, seine Frau als deine Schwester Violante und mich, euren Vater, als den Grafen von Antwerpen.« Bei diesen Worten blickte Pierrot dem Redenden genauer ins Gesicht, erkannte ihn plötzlich, warf sich ihm weinend zu Füßen, umarmte ihn und sagte: »Vater, seid tausendmal willkommen.« Jakob aber war zuerst von der Rede des Grafen und dann von dem Benehmen Pierrots so verwundert und freudig überrascht, daß er anfangs gar nicht wußte, was er tun sollte. Doch bald maß er den Worten des Grafen vollen Glauben bei und war voller Scham wegen der harten Reden, die er gegen jenen als Pferdeknecht wohl geführt. Er sank weinend zu seinen Füßen nieder, um für das Geschehene demütig Verzeihung zu erbitten. Der Graf aber erteilte sie ihm willig, indem er ihn aufstehen hieß.
    Als sich alle drei ihre verschiedenen Schicksale unter vielen Tränen und ebensoviel Freude gegenseitig erzählt hatten, wollten Pierrot und Jakob den Grafen mit neuen Kleidern versehen. Er gab es indes auf keine Weise zu, sondern bestand darauf, daß Jakob, nachdem ihm die Belohnung zuvor gesichert wäre, ihn im Knechtsgewand dem König vorführte, um diesen desto mehr zu beschämen. So ging denn Jakob, dem der Graf und Pierrot in einiger Entfernung folgten, vor den König und versprach ihm, den Grafen und dessen Kinder zu bringen, wenn er ihn dem ergangenen Aufruf gemäß belohnen wolle. Sogleich ließ der König die für einen jeden bestimmten Belohnungen, über deren Größe Jakob sich nicht genug wundern konnte, herbeibringen und hieß ihn, diese hinzunehmen, wenn er wirklich den Grafen und dessen Kinder nachzuweisen wisse. Darauf wandte Jakob sich um, ließ den Grafen, seinen Knecht, und Pierrot vortreten und sagte: »Gnädigster Herr, hier sind Vater und Sohn. Die Tochter, die meine Gemahlin ist, habe ich zwar nicht zur Stelle, doch sollt Ihr sie mit Gottes Hilfe bald sehen.«
    Der König blickte den Grafen an, und obgleich dieser sich sehr verändert hatte, erkannte er ihn dennoch, nachdem er ihn eine Weile betrachtet hatte, und schier tränenden Auges hob er den Knienden zu sich empor, küßte und umarmte ihn. Auch den Pierrot empfing er freundschaftlich und befahl, daß der Graf sogleich mit Kleidern, Dienerschaft, Pferden und Geräten versehen werde, so reichlich, wie es seinem hohen Rang angemessen sei. Alsbald wurde dieser Befehl vollzogen. Dann erwies der König dem Jakob ebenfalls vielfache Ehre und verlangte von ihm einen Bericht über die vorhergegangenen Begebenheiten. Als aber Jakob die Belohnung wegtragen ließ, die er für die Auskunft über den Grafen und dessen Kinder erhalten hatte, sagte dieser: »Nimm das als ein gnädiges Geschenk unseres Herrn, des Königs, und vergiß nicht, deinem Vater zu sagen, daß deine Nachkommen, seine wie meine Enkel, von mütterlicher Seite keine Bettelkinder sind.«
    Jakob nahm die Geschenke und ließ seine Gattin und seine Mutter nach Paris kommen. Auch

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