Das Dekameron
ob denn der Kaiser nur ihm vor allen ändern dieses Vorrecht erteilt habe. Bernabo erwiderte nicht ohne Empfindlichkeit, Gott, der etwas mehr vermöge als der Kaiser, und nicht dieser, habe ihm solche Gnade verliehen. Darauf sagte Ambrogiuolo: »Bernabo, ich zweifle nicht daran, daß du selber die Wahrheit zu sagen glaubst. Mich dünkt aber, du hast den Lauf der Dinge nicht gehörig ins Auge gefaßt; denn hättest du es getan, so halte ich dich nicht für kurzsichtig genug, daß du nicht mancherlei wahrgenommen haben solltest, was dich veranlassen müßte, über derlei Dinge mit geringerer Zuversicht zu reden. Damit du aber einsehen mögest, daß wir, die wir uns vorhin über unsere Frauen so duldsam aussprachen, darum nicht der Meinung sind, wir hätten deren schlechtere oder anders geschaffene, als die deinige ist, will ich über diesen Punkt ein wenig mit dir reden. Ich habe immer gehört, der Mann sei das edelste unter den sterblichen Wesen, die Gott geschaffen, und erst nach ihm komme das Weib. In der Tat zeigt auch die Erfahrung, daß die allgemeine Meinung wahr und der Mann vollkommener ist. Besitzt er aber nun größere Vollkommenheit, so muß er ohne Zweifel auch mehr Festigkeit und Beständigkeit haben; denn die Weiber sind in allem veränderlicher, wofür sich mancherlei natürliche Gründe angeben ließen, die ich aber jetzt beiseite lassen will. Hat nun der Mann größere Festigkeit und kann er sich dennoch nicht enthalten, nach einer jeden zu verlangen, die ihm gefällt, geschweige denn einer, die ihn bittet, zu willfahren, kann er sich weiterhin nicht enthalten, über dieses Verlangen hinaus alles zu tun, was in seinen Kräften steht, um in ihren Besitz zu gelangen, was alles ihm nicht einmal im Monat, sondern täglich tausendmal begegnet - wie willst du von einem Weibe, das seiner ganzen Natur nach veränderlich ist, erwarten, daß es den Bitten, Schmeicheleien und Geschenken, daß es den tausend anderen Mitteln widerstehen werde, die ein erfahrener Mann, wenn er verliebt ist, anwenden wird? Glaubst du wirklich, sie könne standhalten? Wenn du es mir auch versicherst, so glaube ich dennoch nicht, daß du davon überzeugt bist. Gestehst du doch selbst ein, daß deine Frau ein Weib ist und wie die ändern aus Fleisch und Bein besteht. Ist dem aber so, dann muß sie dieselben Gelüste fühlen und hat nur dieselben Kräfte wie die ändern, um jenen natürlichen Antrieben zu widerstehen. Du siehst mithin: so sittsam sie auch sein mag, immer besteht die Möglichkeit, daß sie tut, was die ändern tun. Etwas Mögliches soll man aber niemals so hartnäckig verneinen oder das Umgekehrte behaupten, wie du es tust.«
Bernabo entgegnete ihm darauf: »Ich bin ein Kaufmann und kein Philosoph, kann dir also auch nur als Kaufmann antworten. So sage ich denn, daß ich wohl einsehe, wie es den Einfältigen, die kein Gefühl für Scham haben, so gehen kann, wie du da beschreibst. Die Verständigen aber sind um ihre Ehre so besorgt, daß sie in diesem Punkte stärker werden als die Männer, die darin ein loses Gewissen haben. Und zu denen gehört meine Frau.«
»Wahrhaftig«, sagte Ambrogiuolo, »wenn den Weibern jedesmal, wenn sie sich auf derlei Geschichten einlassen, ein Horn aus der Stirn wüchse, das Zeugnis ihrer Tat wäre, so möchten sich wenige damit abgeben. Nun wächst ihnen aber kein Horn, und wenn sie klug sind, ist keine Spur zu finden;
Schande und Entehrung entstehen nur aus dem, was offenbar wird. So tun die Weiber denn, was sie im Verborgenen tun können, oder unterlassen es nur aus Albernheit. Darum sei überzeugt: nur die ist keusch, die entweder von niemand gebeten, oder wenn sie selbst gebeten hat, nicht erhört worden ist. So genau ich übrigens aus natürlichen und anderen Gründen weiß, daß sich alles so verhalten muß, wie ich dir sage, so spräche ich doch nicht mit solcher Zuversicht darüber, wenn ich nicht schon oft und bei mancherlei Frauen die Probe gemacht hätte. Deshalb sage ich dir denn: wäre ich nur bei deiner so ausbündig tugendhaften Frau, so wollte ich sie schon in kurzer Zeit zu dem bringen, wozu ich schon so manche andere gebracht habe.«
Bernabo antwortete verdrießlich: »Dies Herumstreiten mit Worten könnte sich sehr in die Länge ziehen. Du würdest reden, und ich würde reden, und am Ende käme doch nichts heraus. Weil du aber meinst, daß jede Frau so nachgiebig und dein Geschick so groß sei, so bin ich bereit, um dich von der Sittsamkeit meiner Frau zu
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