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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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werden mußte. Es ist jedoch nicht diejenige »Frauensprache«, die wir suchen oder gerne haben wollen, eine Sprache also, in der Frauen sich »einfach nur« als eigenständige Subjekte, kurz: als Menschen, artikulieren (können). Nein, die Sprache der Töchter Egalias ist eine Sprache von Machthaberinnen, wie unsere diversen Männersprachen (Norwegisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Tschechisch, Chinesisch, Japanisch, etc., etc.) Sprachen von Machthabern sind. Das bedeutet: die Regeln der Männersprache Norwegisch (für die Übersetzung: Deutsch) werden listig und sinnig auf den Kopf gestellt, uns spiegelverkehrt vorgeführt, mit dem einzigen Ziel, die Sprache des Patriarchats durch die lexikalischen und grammatischen Überraschungsschocks als solche erkennbar zu machen, schlagend zu entlarven. »Spiegelverkehrt« und »auf den Kopf gestellt« heißt hier: In Egalia ist die Frau die Norm und der Mann die Abweichung, der Abhängige — politisch, sozial und, folgerichtig, auch sprachlich. Zur Illustration aus der Fülle der Beispiele eines, das mich besonders nachhaltig »schockiert« hat. Beim ersten Lesen begriff ich’s gar nicht, so fremdartig und »verkehrt« wirkt und klingt es: Eine Frau ruft an, und am anderen Ende der Leitung meldet sich jemand mit: »Herr Cheftaucherin Ödeschär«. Der brave Hausmann Ödeschär darf sich in Egalia mit dem Titel »Cheftaucherin« seiner Gattin schmücken. Solcher erheirateter Titelschmuck war und ist außerhalb von Egalia bekanntlich ein rein weibliches »Privileg«. So bewegt z. B. mein Doktortitel auch heute noch manche zu der herzigen Frage: »Ach, Ihr Mann ist wohl Arzt ?«
    Egalia ist ein Buch, das man unter vielerlei Aspekten untersuchen kann — eine reiche Quelle z.B. für Seminar-, Magister-, Doktorarbeiten etc. Obwohl ich mich hier auf die rein linguistischen Aspekte beschränken muß, kann ich sie unmöglich in der Gründlichkeit behandeln, die sie verdienen. Vor allem kann ich die rein linguistisch besonders interessanten Gesichtspunkte, die sich aus einem Vergleich der deutschen Übersetzung mit dem norwegischen Original ergeben, nur andeuten. Es ist aber eine ausführliche kontrastive Analyse der sprachlichen Besonderheiten von Egalias dötre/Die Töchter Egalias geplant, die Katrin Lunde , Universität Tromsö, und ich gemeinsam schreiben wollen.
    Wie gesagt ergibt sich die besondere Sprache des Buches folgerichtig aus dem besonderen Inhalt. Egalia ist eine matriarchalisch organisierte Gesellschaft, in der die Machtverhältnisse umgekehrt sind wie bei uns. Die hierzulande männliche Rolle haben dort die Frauen und umgekehrt. In Egalia gebären zwar immer noch die Frauen die Kinder, aber die Männer bekommen sie — zur Pflege und Aufzucht. Das Buch beginnt mit dem provokanten Satz: »Schließlich sind es noch immer die Männer, die die Kinder bekommen !« — dessen egalitanischen Sinngehalt (s. o.) frau 23 erst allmählich beim Weiterlesen erfaßt. Männern wird von Frauen mitgeteilt: »Du bekommst ein Kind !« Die Institution Ehe gibt es nicht; statt dessen existiert die Institution Vaterschaftsschutz (norw . farskaps-beskyttelse, schlecht übersetzt mit Vaterschaftspatronat 24 ), die Frauen dem Mann ihrer Wahl anbieten können. Will eine Frau den Vater ihres Kindes nicht als Bettgefährten, Haushälter und Erzieher der Kinder, so »bekommt« er entweder das Kind trotzdem und findet sich damit in der sozial elenden Rolle eines ungeschützten Vaters, oder ein anderer Mann bekommt es zusammen mit dem Vaterschaftsschutz, dem Lebensziel und Traum aller Männer. — In Egalia kommt es relativ häufig vor, daß Frauen Männer vergewaltigen. Sind diese noch jung, so müssen sie sich u. U. von ihrer Mutter sagen lassen, sie seien selbst schuld; sie hätten halt nicht so einen aufreizenden PH tragen und nachts einfach im Wald herumgehen sollen.
    Es ist die Selbstverständlichkeit , mit der diese Unerhörtheiten, ja Ungeheuerlichkeiten vorgetragen werden, die uns beim Lesen anfangs am gründlichsten verwirrt und schließlich am nachhaltigsten beeindruckt und belehrt. Der von Brantenberg angestrebte und erzielte Lerneffekt der gesamten, langen Lektüreerfahrung ist der, daß uns unsere Bedingungen, die des Frauseins im Patriarchat, allmählich oder auch schlagartig genauso fremd, absurd, unerhört und ungeheuerlich vorkommen.
    Und so auch unsere Sprache — hier: das Norwegisch oder Deutsch (je nachdem), das wir sprechen, besser: zu

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