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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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Norm«.
    Für das Deutsche gilt hinwiederum die Strategie: Beide Geschlechter benennen — nicht nur das männliche! Wenn die Unterscheidung zwischen Femininum und Maskulinum das gesamte Personenbezeichnungssystem durchzieht, dann muß verhindert werden, daß eines der Genera das andere im Plural und im »generischen Singular« »vertreten« kann.
    Und nun noch eine ganz schwierige Frage: Welche der nachstehenden Substantive bezeichnen Menschen?

    Büchsenöffner, Schornsteinfeger, Korkenzieher, Staubsauger, Automat, Diplomat, Bovist, Dentist, Praktikant, Hydrant, Motor, Autor, Direktor, Transistor.

    Antwort: Alle und nur die, die eine - in -Movierung erlauben.
    Vielleicht wäre es doch ungünstig, das -in abzuschaffen. Wir brauchen es offenbar, um Männer von Maschinen, Pilzen und dergleichen unterscheiden zu können.
    Das ist nicht etwa eine voreingenommene feministische Interpretation harmloser Sprachtatbestände — nein, der gewiß nicht als Feminist verschriene Kollege Brinkmann ( 12 1971: 24) sieht es genauso:

    Anders als Werkzeug- und Vorgangsbegriffe (Bohrer, Fehler) haben diese [...] Bezeichnungen die Möglichkeit zu einer weiblichen Variante (Berlinerin , Schweizerin), und insofern sie diese Variante haben, eignet ihnen männliches Geschlecht.

    1980

»Eine männliche Seefrau!
Der blödeste Ausdruck seit Wibschengedenken« Über Gerd Brantenbergs Die Töchter Egalias

    Gerd Brantenberg ist eine im deutschen Sprachraum (noch) unbekannte Autorin. Ja, eine Autor- in — ich unternehme mit dem Einleitungssatz nicht den Versuch, die deutsche Sprache feministisch umzufunktionieren und den Ausdruck Autorin auf einen Mann anzuwenden als Reaktion darauf, daß Autor ja auch für Frauen gebraucht wird. Solches Vorgehen wäre zwar durchaus im Sinne der Autorin, es ist in diesem Fall aber nicht nötig, weil Gerd Brantenberg eine Frau ist. Gerd ist ein weiblicher Vorname im Norwegischen.
    Auf dem Umschlag der deutschen (nicht der norwegischen) Fassung steht: G. Brantenberg. Der Roman wendet sich in erster Linie an Menschen mit einem entwickelten feministischen Bewußtsein (natürlich auch an solche, die es werden wollen). Bei dieser Zielgruppe konnte der Verlag von der Erfahrungstatsache ausgehen, daß männliche Autorschaft das Interesse und den Kaufwunsch nicht gerade anregt (»Von Männern haben wir nun nachgerade genug gelesen !« ). Also wird Gerd bei uns diplomatisch als G Punkt eingeführt. Die Assoziation »männlich«, die ihr Vorname bei unvorbereiteten Deutschsprachigen unweigerlich hervorruft, wäre auch in der Tat völlig irreführend, denn dieses Buch konnte nur aus einer weiblichen Betroffenheit heraus entstehen.
    Das norwegische Original erschien 1977, die deutsche Übersetzung im Mai 1980. Einen Monat später, im Juni, wollte ich das Buch mit meinen Studentinnen und Studenten diskutieren — da war es bereits vergriffen! Ich erkläre mir den enormen Verkaufserfolg damit, daß Egalia ein Lesebedürfnis befriedigt, das im allgemeinen von feministischer Literatur eher frustriert wird: Selten hatten wir bisher was zu lachen; hier aber wird feministische Theorie und Erfahrung in Form einer ungeheuer witzigen, bissigen und scharfsinnigen Satire auf das Patriarchat vermittelt. Ein kluges und geistreiches Buch, voll überraschender und entlarvender Einfälle und Beobachtungen, voll konstruktiver Phantasie. Uneingeschränkt Zu empfehlen, ja ein Meilenstein des Feminismus, finde ich, wie Beauvoirs Le deuxième sexe, Milletts Sexual politics, Schwarzers Der kleine Unterschied... , Janssen-Jurreits Sexismus und Dalys Gyn/ecology.
    In den Linguistischen Berichten wurden bisher noch keine Romane rezensiert, schon gar nicht feministische. Obwohl Literatur doch gewiß etwas mit Sprache zu tun hat, haben die Linguist/inn/en dies Feld lange den Literaturwissenschaftler/inne/n überlassen (nach einem kurzen Erblühen der Textlinguistik Anfang der siebziger Jahre).
    Das jetzt wieder erwachende linguistische Interesse an literarischen Texten ist ein Ergebnis der Gesamtarbeit der Frauenbewegung. Frauen haben erkannt, daß unsere Sprachen, wie verschieden auch immer strukturiert, allesamt Männersprachen sind. Sie gehen nun daran, diese zunächst gefühlsmäßige Erkenntnis breit zu belegen, u. a. anhand linguistischer Analysen von Texten aller Art. 22
    Die Töchter Egalias nun stellt den m. W. ersten Versuch dar, einen Text in einer »Frauensprache« zu verfassen, also in einer Sprache, die es nicht gibt, die neu erfunden

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