Das Deutsche als Männersprache
Badezimmer, Örtchen oder wie ihr es nun nennen wollt, in denen sie nichts Vernünftiges zu lesen findet. Vielleicht gehört ihr auch zu jenen Unverdrossenen, die sich in derartigen Notfällen dann eben mit vergleichsweise dürftigem Lesefutter begnügen — was so in Reichweite ist, Zahnpastatuben, Cremedöschen, Deodorants. Ich jedenfalls hatte neulich Gelegenheit, eingehend eine o. b.-Schachtel zu studieren. Der Schachtelaufdruck gab wenig her, aber es fand sich innendrin noch ein kleines feines Faltblättchen, eng mit Aufklärendem bedruckt. Ich las also, mäßig unterhalten, bis ich auf folgende Information stieß: »Die Menstruation ist bei jedem ein bißchen anders .«
Mag ja sein, daß die Menstruation bei jeder Frau oder, kurz, bei jeder anders ist und daß wir deshalb dankbar sein dürfen, daß die Firma o. b. ein so hochdifferenziertes Tampon-Angebot für uns parat hat, von »minimal« bis »spezial« oder was. Aber es wollte mir nicht einleuchten, wieso sie bei jedem anders sein soll. Bei jedem Menschen vielleicht? Haut ja wohl auch kaum hin.
Ich schrieb also der wissenschaftlichen Abteilung der Firma und bat um weitere Aufklärung -in dem Faltblättchen hatte nämlich auch gestanden, sie würden sich aller etwa noch offengebliebenen Fragen liebevoll annehmen. Es verstrichen vier Wochen, dann erreichte mich eine zerknautschte Geschenkpackung mit 40 o. b. (Typ: »normal«) und einem freundlichen Begleitschreiben. Man habe sich über meine Anteilnahme an ihrem Unternehmen sehr gefreut. Und was nun jenes bei jedem betreffe — möglicherweise habe die Verfasserin, ja es sei eine Verfasserin gewesen, da an Mädchen gedacht? Bei jedem Mädchen anders, vielleicht? Dennoch, man wolle meine Einlassungen gerne bedenken und die nächste Auflage des Faltblättchens abändern.
Trickreich, wirklich! — Nun habe ich all die düsteren Warnungen vor Killertampons im besonderen und Tampons im allgemeinen verinnerlicht — und kaufe trotzdem hin und wieder eine Schachtel o. b., um festzustellen, ob die Menstruation noch immer bei jedem oder vielleicht schon, äußerst sprachsensibel, bei jeder (Frau) anders ist.
(Nachtrag 1983: Das Faltblättchen wurde Ende 1982 abgeändert.)
März 1982
Zur Sache, Schätzchen!
Das Schätzchen, von dem hier die Rede sein soll, ist unser lieber deutscher Wort-Schatz. Dieser sogenannte Schatz enthält, wie wir wissen, allerlei wertlosen Plunder, besonders in der Abteilung >Personenbezeichnungen<. Viele Frauen sind deshalb der Meinung, das Schätzchen gehöre auf den Müll, weg damit! So weit möchte ich eigentlich nicht gehen. Immerhin enthält es doch auch sehr schöne, brauchbare Wörter, zum Beispiel Frau, Schwester, Geschwister, Tochter, Mutter, Kind, Scheißkerl, Macker, Leberwurst, gesund, warm, liebhaben und noch ein paar andere.
Ärgerlich wird es allerdings, wenn wir vertrauensvoll in den Schatz hineingreifen — und irgendeinen Mist hervorziehen. Solches passiert zum Beispiel, wenn wir eine präzise Vorstellung haben und das Wort, welches der Schatz für unsere Vorstellung bereithält, halb richtig und halb falsch ist. Und ein anderes Wort nicht vorhanden ist.
Neulich — ich lese grade Karin Hausens klugen Aufsatz »Women’s History in den Vereinigten Staaten« — kommt meine Freundin Erika Hausen zu Besuch. »Du, ich lese grade einen Artikel von deiner Namensvetterin«, will ich sie munter begrüßen. Daß Karin und Erika Hausen keine >Namensvettern< sind und auch nicht so genannt werden dürfen, ist ja klar. Aber auch die >Namensvetterin< bleibt mir, gerade noch rechtzeitig, im Halse stecken. Namenscousine sage ich also. Später rede ich mit meiner Mutter über dies eigenartige Sprachproblem. Sie sage schon immer Namensbase, berichtet sie gelassen. Aber Base riecht mir zu streng nach Deutschtümelei. Cousine ist mir vertrauter, angenehmer, obwohl es genauso aus Cousin abgeleitet ist wie meine mißliche Eigenschöpfung Vetterin aus Vetter .
Im Herkunftswörterbuch (Der Große Duden, Band 7) steht unter Namensvetter: »Einer, der den gleichen Namen trägt (18. Jh.)«. Eine, die den gleichen Namen trägt, ist also nicht vorgesehen. In der deutschen Sprache gibt es kein Wort für sie — wir müssen es erfinden. Ich persönlich finde, nach meiner Odyssee (schon wieder so ein männlich geprägtes Wort!), inzwischen Namensschwester gut. (Übrigens: Der norwegische Wortschatz ist besser bestückt. Dort gibt es die navnesøster >Namensschwester< neben dem navnebror
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