Das Deutsche als Männersprache
Jahren:
Ihr Gewäsche wird mich niemals verleiten, ihnen zu antworten und dadurch die edle Zeit zu verderben, mich selbst aber in Gefahr zu setzen, ihnen gleich zu werden.
Genau! Halten wir einfach fest, daß Tiere sowieso die besseren Menschen sind: Sie machen wenigstens keine Herrenwitze im Zweireiher, unsere Vierbeiner/innen.
Ich erinnere mich an einen Vorfall vor vielen Jahren, Studentenheim, Vollversammlung, Rechenschaftsbericht unseres Fahrradreferenten. Er ist Portugiese, und er meldet folgendes, in vorwurfsvollem Ton: »Es stehen immer noch viele herren- und damenlose Fahrräder im Schuppen rum !« Herzliches Gelächter allerseits über den amüsanten Sprachschnitzer. Unser Portugiese war über einen der vielen Stolpersteine der Männersprache Deutsch gefallen. Zu »Herr« gehört »Dame«, so hatte er gerechnet. Aber so einseitig sind ja unsere »Herren« nicht. Zu »Herren« gehören neben den »Damen« auch noch »Frauen« und »Herrinnen«:
(Über diesen Stolperstein kam übrigens auch Dame Rechenberg aus Goslar zu Fall. Ihr habt vielleicht von ihr gehört; sie wurde ja in der Männerpresse ständig lächerlich gemacht. Spott und Kritik gingen aber an die falsche Adresse. Anzugreifen ist nicht diese Frau, sondern die deutsche Sprache als patriarchalisch organisiertes Verwirr-System.)
Mit dem herr- in herrenlos (oder auch Herrenrasse) hat es nun noch seine ganz eigene Bewandtnis. Es ist das nämliche Herr, das auch in Herrgott vorkommt und bekanntlich rein gar nichts neben sich duldet, schon gar nichts Weibliches. Eher noch wird es hinnehmen, als >abstrakt<, >allumfassend< und >allgültig< analysiert zu werden. Dieses Herr , so hören wir, ist eben einfach >geschlechts-neutrah. Es bedeutet >Besitzer, Herrscher, Gebieter<. Na, >Herr< eben bedeutet es! Ein herrenloser Hund ist ein Hund ohne Herrn, egal welchen Geschlechts, ob Frauchen oder Herrchen. Kapiert? Und die Herrenrasse? Dito!
Herrenlos — welch tiefes, schönes Wort! Es bedeutet also >frei<, >autonom<, >ohne Besitzern Bevor die Herren sie in Besitz nahmen, zähmten, domestizierten, waren alle Tiere »herrenlos«, d. h. frei, in niemannes Besitz, unter niemannes Herrschaft. Erst die Herrenperspektive mit ihren verherrenden Folgen beschert uns auch den »herrenlosen Hund« als ein per se bedauernswertes, herumstreunendes, struppiges Wesen. Der richtige Hund hingegen, komplett mit Herrchen (egal ob weiblich oder männlich, s. o.) — was macht er zur Freude seines Herrn? Egal ob Weibchen oder Männchen, er macht: Männchen.
»Herr und Hund«, so nannte Thomas Mann(!) seine Erzählung. An der Herrenperspektive bleibt von vornherein nicht der geringste Zweifel. Die beiden anderen berühmten Erzählungen über Hunde stammen von Frauen: »Krambambuli« von Marie von Ebner-Eschenbach und »Flush« von Virginia Woolf. Ob es nur ein Zufall ist, daß die beiden Frauen den Hund im Titel »herrenlos« auftreten lassen und ihn beim Namen nennen?
April 1982
Wir Männschen
Wir Frauen bestreiten ja nicht, daß Männer Menschen sind. Es sind bekanntlich die Männer, die sich damit schwertun, daß auch Frauen Menschen sind.
»Ein Mensch ohne Frau ist eigentlich kein Mensch«, heißt es im Talmud. Frauen, die bloß einen Mann aufweisen können (das reicht anscheinend nicht zur Menschwerdung), werden aus der Klasse der Menschen hinausdefiniert.
Ein Mensch, so heißt das vielgelesene Buch mit »heiterenVersen« von Eugen Roth. Im Klappentext der — zigten Auflage steht zu lesen: »Eugen Roth hat den Menschen an seinen Achillesfersen gezeichnet, den verhinderten Don Juan ebenso wie Friederich, den argen Wüterich .« Die Verse seien »hundert kleine Spiegelein, aus denen wir herausgucken, du und ich, der Nachbar und der Vetter«. »Finden wir uns nicht auf irgendeiner Seite selbst wieder ?« »Wir alle, wir Menschen, sind jeweils skizziert, wenn Eugen Roth beginnt: Ein Mensch...«
Ich, eine Frau, weder Nachbar noch Vetter, weder Don Juan noch arger Wüterich, finde mich da auf keiner Seite wieder. Ich finde sowohl in den Illustrationen als auch in den »heiteren Versen« nur Männer. »Ein Mensch...« — ist immer ein Mann.
Damit schließt sich der Kreis brüderlicher Männschlichkeit vom ehrwürdigen Talmud zur heiteren Gegenwart.
Als vor etwa zehn Jahren einige Frauen anfingen, frau statt man zu sagen, fanden andere das chauvinistisch, »unmenschlich«, ja männermordend. Wenn man schon abgeschafft werden soll, hieß es, dann ersetzt es doch
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