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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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>Namensbruder<.)
    Die Linguistik (sagen wir doch gleich: die Linguisten (männlich)) spricht/sprechen in derartigen Fällen von »lexikalischen Lücken« in der Sprache. Das Bild >Lücke< suggeriert mehreres:
    a) Eine Lücke, z.B. eine Zahnlücke, ist etwas relativ Harmloses. Das umgebende Ganze hat noch hinreichend festen Zusammenhalt. Wenn mir aber sämtliche Zähne des Oberkiefers fehlen, wäre es lächerlich, von einer Lücke zu sprechen.
    b) Eine Lücke »entsteht«, sie »passiert«, niemand ist so recht für ihr Entstehen verantwortlich. Sie ist auch etwas eher Zufälliges, Unsystematisches. Es gibt z. B. Zifferblätter mit zwölf und Zifferblätter mit nur vier Ziffern: 3, 6, 9 und 12. Das vierziffrige Zifferblatt enthält keine »Lücken«, sondern es wurden acht Ziffern »ausgespart«, »weggelassen«. Eine »Aussparung«, »Ausklammerung« ist im Gegensatz zur Lücke etwas Beabsichtigtes.
    Männer haben Frauen jahrtausendelang weitgehend aus dem öffentlichen Leben ausgeklammert — die Folge für den Wort»schatz« ist, daß eigenständige Bezeichnungen für Frauen einfach fehlen, und zwar ebenso systematisch fehlen wie die Ausklammerung systematisch war. Wörter wie Student, Arzt, Pastor, Richter, Professor, Meister, Geselle bezeichneten über einen langen Zeitraum ausschließlich: Männer. »Sprachnot« entstand erst, als seit Anfang dieses Jahrhunderts immer mehr Frauen dieselben Funktionen wie Männer übernahmen. Seitdem haben wir plötzlich »Studenten« und »weibliche Studenten« und so fort. Darüber hinaus wird uns eingeredet, Wörter wie Arzt seien »geschlechtsneutral«, könnten sich auf Frauen genauso beziehen wie auf Männer. Aber wenn ich dann erzähle »Unser Hausarzt hat neulich meinen Onkel geheiratet« — will es niemand begreifen. Lieber doch auf den Müll mit diesen Männerlumpen, die wir neuerdings anziehen dürfen, die aber nicht für uns geschneidert wurden und die uns deshalb entweder zu eng oder zu weit sind?
    Heute ist uns die »Kauffrau« einigermaßen geläufig, aber die »Staatsfrau« noch lange nicht, trotz Golda Meir, Indira Gandhi, Margaret Thatcher, Vigdis Finnbogadottir und anderen. Und die »Stammhalterin« gibt es (als Möglichkeit) erst seit 1978, seit bei der Eheschließung auch der Name der Frau zum Familiennamen werden kann.
    Gut, solche »Lücken« bzw. Aussparungen wie die lange fehlende >Stammhalterin< oder >Doktormutter< lassen sich historisch erklären. Es gibt eben (leider) erst seit kurzem Frauen, auf die diese Bezeichnungen anwendbar sind. Welche Erklärung aber gibt es für die fehlenden >Namensschwestern    Der deutsche Wort»schatz« dient, das läßt sich breit belegen, hervorragend männlichen Interessen. Wer ihn »gemacht« hat, diese Frage kann dabei ruhig offenbleiben. Frauen jedenfalls, soweit sie für diesen »Schatz« mitverantwortlich sind, haben sich selbst und ihre Interessen nicht wahrgenommen. Dieses Strickmuster ist uns ja auch aus anderen Bereichen als dem der Sprache hinreichend geläufig.
    Halten wir also fest: Der deutsche Wortschatz eignet sich zum Ausdruck weiblicher Interessen und Sehweisen etwa so gut wie ein Rasierapparat zur weiblichen Körperpflege. Mag mann uns den Apparat auch noch so sehr als »geschlechtsneutral« und für Frauen und Männer gleichermaßen entworfen und geeignet anempfehlen-es wird kaum Situationen geben, wo sich dieses Instrument für uns als praktisch erweist. Vielmehr sind wir genötigt, immer mehr eigene Instrumente für unseren Bedarf zu entwickeln.
    Oder, um ein anderes Bild aufzugreifen: Es geht nicht darum, irgendwelche »Lücken« auszufüllen, sondern darum, die sinnlos mümmelnde untere Zahnreihe endlich durch eine obere zu einem ordentlichen Eß- und Sprechwerkzeug zu ergänzen.

    Mai 1982

Herr und Hund

    Meistens raunt Ben Witter in der Zeit eher Unverständliches, aber am 12. 2. 82 wurde er ganz deutlich:

    Der Hund ist herrenlos, sagte die Frau.
    Ich pfiff, und sie trottete hinter mir her.

    Da kaum anzunehmen ist, daß Witter mit »sie« den Hund meint — wo bliebe dann auch der »Witz«, nicht wahr — dürfen wir folgern: Frauen sind wie Hunde, auf Anpfiff willenlos gehorchend und hinter dem »Herrn« hertrottend (und sei es auch Herrchen Witter).
    Nein, das wird hier kein Gewitter auf Herrn Witter! Wie sagte doch die große Dorothea Christina Erxleben, Deutschlands erste promovierte Ärztin, schon vor über 200

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