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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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und hatte nicht mehr einschlafen können. Er hatte über den Fall nachgedacht, hatte ihn geistig gedreht und gewendet, aber schließlich hatte er dann doch auf einmal das Gefühl gehabt, als füge sich alles zusammen. Es passte auf einmal. Auch, wenn noch vieles einfach unklar war. Es war, wie wenn man bei einem Wollknäuel endlich den Anfang gefunden hatte. Alles andere würde Fleißarbeit sein. Sie hatten noch kein Mordmotiv, sie wussten noch nicht, wie der Schwarze da hineinpasste, doch das war alles nur noch eine Sache ordentlicher Arbeit. Kleinarbeit, aber man wusste: Am Ende würde alles ordentlich vor einem liegen, und das war immer ein gutes Gefühl. Nur der Gedanke an Lilli Kornfeld störte dabei … er mochte sie. Er mochte sie wirklich.
    Sie hatten das Brandenburger Tor erreicht, liefen wie immer rundherum und dann wieder in den Tiergarten zum Spreeufer hinunter. Mittlerweile waren sie auf dem Rückweg der ersten Runde. Die Sonne hatte sich ganz allmählich über den Horizont gehoben und schien durch die Bäume. Es lief sich jetzt mit fließend weichen Bewegungen, völlig natürlich. Schambacher hatte das Gefühl, er könnte immer so weiterlaufen.
    »Gehen wir erst zu Gennat oder fahren wir gleich nach Zehlendorf?«, fragte Togotzes.
    »Erst zu van der Laan«, antwortete Schambacher automatisch. Er war immer lieber auf der sicheren Seite. Dann schwiegen sie, atmeten im selben Rhythmus und liefen nebeneinander her, vollkommen gleichmäßig auf einem vorherbestimmten Weg. Wie Kugeln, die den Lauf verlassen haben, dachte Schambacher, Kugeln, die unaufhaltsam auf ihr Ziel zuflogen, und er war sich nicht ganz klar darüber, ob dieser kühle Rausch der Unausweichlichkeit ein ganz und gar gutes oder ein gefährliches Gefühl war.
    Vier Stunden später saßen sie, nachdem sie im Präsidium unter der Mannschaftsbrause gewesen waren, wieder ganz ordentlich im Anzug in ihrem Auto und beobachteten das Haus van der Laans. Sie hatten schräg gegenüber unter einem der Bäume geparkt.
    »Nett hier«, sagte Togotzes, der das Fenster heruntergeklappt hatte und sich lässig mit einer Hand aufs Lenkrad stützte, »da möchte man auch wohnen.«
    Schambacher nickte. Es war ein schöner Herbstvormittag geworden. Überall fielen die Blätter, je nach Form schnell oder sich drehend oder taumelnd, rot, braun, leuchtend gelb, flammend orange. Es roch nach Kastanien und Holzrauch und nach Erde. Früher, dachte Schambacher plötzlich mit einem Anflug von Sehnsucht, früher wäre das ein Tag gewesen, um Drachen steigen zu lassen.
    »Komm!«, sagte er brüsk zu Togotzes. »An die Arbeit.«
    Er öffnete den Schlag, stieg aus und streckte sich. Die Sitze waren so unbequem. Togotzes klappte noch sein Fenster zu und zog die Handbremse an. Da sah Schambacher sie. Die junge Frau, die weiter unten die Straße entlangeilte – war das nicht Lilli Kornfeld? Der Hut, der Gang. Ihr Rock schwang um ihre Beine. Sie ging sehr zügig und war sicher schon zweihundert Meter entfernt, aber so, wie sie sich bewegte – sie konnte es gut sein. Schambacher glaubte nicht an Zufälle. Er sah auf die Uhr. Es ging auf elf. War sie bei van der Laan gewesen?
    »Du«, sagte er zu Togotzes, »ich glaube, ich habe die Kornfeld gesehen.«
    »Hier?«, Togotzes war überrascht. »Sicher?«
    Schambacher wiegte unschlüssig den Kopf. Er hatte ja ihr Gesicht nicht erkennen können.
    »Wir fragen ihn«, sagte er dann bestimmt, »aber nicht gleich. Womöglich war sie schon bei ihm und hat ihm irgendetwas gesagt.«
    Er war sich wirklich nicht sicher. Er hatte ihr ja seinen Smaragd nie gezeigt. Sie konnte unmöglich wissen, dass er den anderen Smaragd hatte, dass der Smaragd mit dem Mordfall zu tun hatte. Und schließlich hatte sie ja hier mal gewohnt. Zu viele Faktoren, mahnte er sich selbst, präzise sein. Genau denken!
    Sie gingen über die Straße zu van der Laans Haus, öffneten die Gartenpforte und stiegen die vier, fünf Stufen der Freitreppe hoch. Togotzes deutete auf die Löwen zu beiden Seiten und zog bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch. Schambacher nickte in stillem Einverständnis. Hier wohnte kein armer Mann. Sie läuteten. Das Mädchen öffnete ihnen. Eine Frau, die sicher die siebzig schon überschritten hatte. Misstrauisch sah sie Togotzes und Schambacher an.
    »Bitte?«, fragte sie, und schon an diesem einen Wort konnte man hören, dass sie keine Deutsche war. Schambacher und Togotzes zeigten ihre Dienstausweise und fragten, ob Herr van der Laan im Hause

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