Das Diamantenmädchen (German Edition)
wirkte jetzt noch gespannter, aber auch wach. Wie ein Jäger, dachte Schambacher.
»Ja. Sie schreibt einen Artikel über Diamanten, und da lag es nahe, mich zu interviewen. Ich habe ihr einiges erklären können.«
»Ja«, nickte Schambacher, »das glaube ich. Vielleicht sagen Sie uns jetzt, wo Sie mit der Dame waren, wann Sie nach Hause gekommen sind und so weiter.«
Togotzes hatte sein Notizbuch auf die Knie gelegt, warf einen Seitenblick auf Schambacher und drehte, für van der Laan unsichtbar, sehr schnell die Augen nach oben.
Als sie später wieder in den Wagen stiegen, fragte Togotzes:
»Warum hast du ihn nicht einfach gefragt, ob sie sich abgesprochen haben. Direkt ist immer am besten!«
Schambacher war verärgert. Mehr, als er zugeben mochte. Wenn es nicht so abwegig gewesen wäre, hätte er fast vermutet, dass van der Laan Lilli Kornfeld aus Kalkül als Alibi angegeben hatte. Weil er auf irgendeine Art wusste, dass er Lilli kannte. Aber das war natürlich Unsinn. Oder hatte sie vielleicht doch irgendetwas damit zu tun? War sie mit ihm, Schambacher, ausgegangen, weil sie schon gewusst hatte, dass er mit dem Fall betraut war? Für einen Moment war er sich nicht mehr sicher, was er überhaupt glauben sollte. War er auf sie hereingefallen? Blödsinn, dachte er, er selbst war ja schließlich mit dem Bild zu ihr gekommen. Es war einfach Zufall.
Mürrisch antwortete er: »Ich weiß es nicht. Was macht sie ausgerechnet heute bei ihm, kurz bevor wir kommen?«
»Na, das konnte er ja unmöglich wissen«, sagte Togotzes, »ein blöder Zufall. Ich bin sicher, dass er das mit dem Alibi eben erst erfunden hat.«
»Auf jeden Fall ist es ärgerlich«, murrte Schambacher, »jetzt müssen wir sie erwischen, bevor sie sich absprechen können. Fahr doch endlich zu.«
Togotzes sah ihn herausfordernd an, während er den Wagen anließ. Er konnte es nicht leiden, wenn er angeschnauzt wurde.
»Und würden Herr Doktor mir vielleicht sagen, wohin?«
Schambacher hatte keine Zeit, auf den Ton einzugehen. Ärgerlich über die Begriffsstutzigkeit seines Kollegen erklärte er ungeduldig:
»Zu Ullstein natürlich! Sie war zu Fuß unterwegs. Wenn wir Glück haben, dann können wir im Verlag sein, bevor er mit ihr telephoniert. Mach zu!«
Togotzes fuhr betont langsam an.
»Manche von uns haben ja keinen Doktortitel«, sagte er immer noch leicht beleidigt, »und wissen nicht, wo das Ullsteinhaus ist.«
Schambacher riss sich zusammen.
»Tut mir leid«, murmelte er, »du musst wenden. Wir müssen nach Tempelhof.«
»Na, das wird ja ein lustiges Rennen!«, sagte Togotzes sarkastisch. »Fünfzehn Kilometer quer durch die Stadt. Verbrechensbekämpfung war einfacher, als es noch kein Telephon gab.«
»Gib du mal Gas«, sagte Schambacher einfach und zwang sich, nicht vornübergebeugt wie ein Rennfahrer im Auto zu sitzen, sondern sich zurückzulehnen. Es ging nicht schneller, als es eben ging. Lilli Kornfeld also. Er hatte von anderen Kriminalern gehört, dass jeder irgendwann einen Fall hatte, der ihm unter die Haut ging. Ein Fall, der ihn wirklich berührte und bei dem er Gefahr lief, die Dinge nicht mehr kühl genug betrachten zu können. Manchmal, sagten die älteren Kollegen, ging es dabei um Fälle, bei denen Kinder oder junge Leute die Opfer waren; meistens aber, und das fand Schambacher gar nicht so erstaunlich, passierte es dann, wenn sie nicht Opfer waren, sondern im Gegenteil das Verbrechen begangen hatten. Hier lag die Sache ganz anders, aber er fragte sich trotzdem, ob er nicht schon tiefer verwickelt war, als es gut war.
Wer hätte denn wissen können, dachte er, dass sie eine Zeugin werden würde! Aber nun war es schon geschehen. Er hatte sie eingeladen. Er fand sie sympathisch. Er … er unterbrach sich in Gedanken selbst und zwang sich zur Ehrlichkeit. Er fand sie nicht nur sympathisch. Er mochte sie.
»Geht es nicht schneller?«, fragte er Togotzes mit kaum verhohlener Ungeduld. Togotzes sah ihn von der Seite her an, dann ließ er auf einmal das Lenkrad los, lehnte sich zurück, ohne auf den Verkehr zu achten und fragte, ohne vom Gas zu gehen:
»Vielleicht möchtest du lieber fahren, ja?«
»Tut mir leid«, murmelte Schambacher zum zweiten Mal an diesem Tag, während Togotzes kopfschüttelnd die Hände wieder ans Lenkrad nahm. Schambacher verlor sonst nie die Beherrschung, und er sah, wie verwundert Togotzes darüber war. Schweigend rasten sie durch die Stadt, so schnell es der Verkehr zuließ, und als Togotzes
Weitere Kostenlose Bücher