Das Diamantenmädchen (German Edition)
Hand wie zum Dank.
Wilhelm aber riss sie brüsk aus ihrer märchenhaften Stimmung.
»Jedenfalls ist er dort, bis wir in Paris einmarschieren«, sagte er sarkastisch. »Kann ja nicht mehr lange dauern.«
Lilli ärgerte sich gegen ihren Willen, aber Paul drückte ihre Hand wie in geheimem Einverständnis zurück, und so erwiderte sie nichts.
»Kommt«, forderte sie die beiden stattdessen auf, »mir wird kalt, und wir sollen rechtzeitig zum Essen zu Hause sein. Mama wartet schon sehnsüchtig auf dich.«
»Was gibt’s denn?«, fragte Wilhelm neugierig, auf einmal wieder ganz ihr großer, immer hungriger Bruder.
»Sauerbraten«, sagte Lilli stolz, »und danach Apfelpfannkuchen. Paul ist auch eingeladen.«
Wilhelm und Paul sahen sich einen winzigen Augenblick an. Dann sagte Wilhelm:
»Was stehen wir dann noch hier rum? Auf nach Hause!«
Und die beiden flogen um die Wette über das Eis zum Ausgang. Lilli glitt in weiten Schwüngen hinterher, lächelnd. Es war das letzte Mal, dass sie ihren Bruder lachend sah.
18
Als Lilli in einem Schwung angeregt plaudernder Kollegen aus der Konferenz kam, sah sie im Vorzimmer Kommissar Schambacher mit einem Kollegen in den schweren Lederfauteuils sitzen. Der Kollege las in einer der Ausgaben der B.Z. , die mit einer Reihe anderer Ullsteinzeitungen auf dem Glastisch lagen. Obwohl sie sich darauf gefasst gemacht hatte, mit einem Polizisten zu reden, traf es sie doch völlig unerwartet, dass es Schambacher war. Plötzlich schlug ihr Herz viel schneller, und sie hatte auf einmal einen sehr trockenen Mund. Damit hatte sie einfach nicht gerechnet. Aber vielleicht war das ja auch gut. Sie bemühte sich um ein Lächeln, als er aufsah, und versuchte, sich zusammenzureißen.
Schambacher sah sie aus der Konferenz kommen und fand, dass sie unter all den Reportern sehr jung aussah, aber auch sehr entschlossen. Ihn ärgerte auf einmal, dass sie bei van der Laan gewesen war. Als sich ihre Blicke trafen, konnte er nicht genau sagen, ob sie überrascht war oder nicht.
»Die dort?« Togotzes hatte die Zeitung sinken lassen, ihn angestoßen und leise gefragt. Schambacher nickte. Beide standen auf.
»Fräulein Kornfeld«, sagte Schambacher freundlich und streckte die Hand aus, »es tut mir leid, dass ich Sie dienstlich noch einmal belästigen muss. Das hier ist mein Kollege, Kommissar Togotzes.«
Lilli gab auch ihm die Hand. Togotzes war schlank wie Schambacher, aber ein ganzes Stück größer. Er trug einen Ledermantel und hatte sich ein Monokel ins Auge geklemmt, was Lilli schon immer affig gefunden hatte. Er machte keinen sehr sympathischen Eindruck auf sie.
»Frollein«, fragte Togotzes jetzt knapp, ohne Umschweife und noch bevor Schambacher die Möglichkeit hatte, irgendetwas zu sagen, »wir wüssten gerne, wo Sie am Freitagabend vor einer Woche waren.«
Lilli hatte ihr Notizbuch noch von der Konferenz in der Hand und wollte es gleich aufschlagen, unterdrückte jedoch den Impuls im letzten Augenblick und fragte eher Schambacher als Togotzes:
»Wieso?«
Die beiden Männer antworteten gleichzeitig.
»Dienstgeheimnis!«, sagte Togotzes kühl und schnoddrig, während Schambacher mit einer höflichen Erklärung begann:
»Es geht um den Diamantenmord, von dem ich Ihnen …« Er unterbrach sich und sah Togotzes etwas enerviert an. Togotzes wiederum drehte kaum sichtbar die Augen nach oben. Das lief ja wunderbar, dachte Schambacher ärgerlich. Er wechselte spontan die Strategie.
»Fräulein Kornfeld«, fragte er höflich, »warum waren Sie heute Vormittag bei Herrn van der Laan?«
Lilli war verwirrt. Sie hatte sich genau überlegt, wie der Freitagabend ausgesehen hatte. Ihre Geschichte war fertig. Aber woher wusste Schambacher, dass sie heute Morgen bei Paul gewesen war. Hatte das irgendetwas zu bedeuten? Hatte es mit dem Alibi zu tun? Sie merkte, wie sie rot wurde. Selbst die Wahrheit hörte sich plötzlich wie gelogen an.
»Ich«, sagte sie dann zögernd, »… wir machen eben eine Serie über Diamanten und da habe ich … also, ich habe ein Interview mit ihm gemacht.«
»Was arbeitet denn Herr van der Laan genau?«, fragte Togotzes dazwischen. Er hatte ein Notizbuch herausgeholt, das kurioserweise genau wie ihres aussah.
»Er ist Diamantenschleifer«, antwortete Lilli, »aber er arbeitet nur noch für ausgesuchte Kunden.«
War das ein Fehler gewesen? Sie hatte das Gefühl, sie sei unvorbereitet in einer Prüfung. Nichts lief so, wie sie es sich vorgestellt hatte.
»Na, aber im
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