Das Diamantenmädchen (German Edition)
einer Verhaftung sogar schon mal durch die Manteltasche auf den Verdächtigen geschossen, als der eine Waffe gezogen hatte. Großartige Leistung, dachte Schambacher abschätzig. Aber dann stand er auf und öffnete ein Fenster. Selbst für einen Raucher wie ihn war der Dunst zu dicht geworden. Gennat ordnete die Akten, die vor ihm lagen, mit seinen kissenhaft dicken Händen zu ordentlichen Stapeln.
»Meine Herren«, begann er dann gemütlich und nicht sehr laut, »die Ergebnisse der Woche, bitte. Können wir mit Ihnen anfangen, Dettmann?«
Dettmann nickte und beugte sich vor. Er hatte gerade den Raubmord an einem Juwelier aufzuklären. Sein Partner Schmidt konnte heute bei der Besprechung nicht dabei sein. Dessen Frau hatte diese Nacht entbunden, und Schmidt hatte einen Tag frei genommen. Dettmann begann mit seinem Bericht. Zu Anfang hatten Schambacher und Togotzes kurz einen Zusammenhang zwischen Dettmanns Fall und dem ihren vermutet, weil es beide Male um Schmuck ging, aber es hatte sich schnell herausgestellt, dass in Dettmanns Fall mit großer Wahrscheinlichkeit zwei oder drei wohnungslose Handwerksgesellen die Täter gewesen waren, die nach Zeugenberichten mit blutverschmierten Hosen um die Tatzeit herum in die Straßenbahn eingestiegen waren. Dettmann konzentrierte sich im Augenblick auf die Fahndung nach ihnen. Gennat nickte schweigend und ging zu Nebe über. Nebe war unglaublich schlecht vorbereitet. Er verhaspelte sich, verwechselte Opfer und Täter in seinem Fall, in dem seiner Meinung nach eine Putzfrau ihren Mann mit einem unbekannten Gift umgebracht hatte. Gennat blätterte in den Akten mit. Schambacher freute sich insgeheim, als Gennat nach einer Zeit lang Nebes Gestammel satt hatte und die Hand hob.
»Sagen Sie mal, Nebe«, fragte er dann in seiner unnachahmlich spöttischen Art, »ist Ihnen vielleicht mal aufgefallen, dass der Pathologe sagt, der Mann sei magenkrank gewesen? Und dass Ihre Hauptzeugin gegen die Putzfrau die Nachbarin in der Gartenkolonie ist und die – zumindest steht das hier im Protokoll – schon lange denkt, dass ihr das Grundstück der Beschuldigten eigentlich zusteht? Ich meine«, sagte Gennat dann und lehnte sich zurück, wobei er Nebe ganz genau ansah, »wir haben es hier mit Menschen zu tun, Nebe. Gehen Sie einfach mal davon aus, dass alle lügen können. Auch Ihr bester Zeuge. Gehen Sie außerdem davon aus, dass ein guter Kriminalist alles anzweifelt. Ein völlig natürlicher Todesfall kann ein Mord sein. Aber das, was wie ein Mord aussieht«, und dabei beugte er sich vor, »kann auch ein normaler Tod unter ungünstigen Umständen sein. Befragen Sie doch Ihre Hauptzeugin noch mal, ob die nicht vielleicht einfach Ihre Putzfrau in die Pfanne haut. Und überlegen Sie auch mal, wo eine einfache Putzfrau ein so raffiniertes Gift herbekommt, das wir gar nicht nachweisen können!«
Nebe nickte mit zusammengekniffenem Gesicht. Schambacher und Togotzes sahen sich kurz an, und Togotzes zwinkerte einmal unauffällig. Er freute sich auch, dass Gennat Nebe zusammengefaltet hatte. Gennat wandte sich jetzt an sie.
»Na, meine Herren«, sagte er jovial, »wie sieht es aus in unserem exotischsten Fall?«
»Bitte, Werner«, sagte Schambacher, und Togotzes begann zu referieren.
»Wir wissen mittlerweile, wer unser toter Neger ist«, sagte Togotzes. »Ein Askari aus unseren ehemaligen Kolonialtruppen. Wilhelm M’banga. Er kommt aus Deutsch-Südwest und ist schon mehrfach in Deutschland gewesen, das letzte Mal scheint er vor etwa zwei Monaten eingereist zu sein. Das Bemerkenswerte dabei ist – er ist geflogen.«
Rund um den Tisch erhob sich ein interessiertes Murmeln.
»Ach nee«, sagte Nebe bräsig, »een Schwarzer hat mehr Geld als unsereins. So weit ist es also schon.«
»Na ja«, sagte Togotzes, »ganz so ist es nicht. Wir haben im Lufthansabüro nachgefragt, und die haben uns sagen können, dass der Flug in Deutschland und im Voraus bezahlt worden ist, und zwar vom Auswärtigen Amt. Es scheint, als wäre er zusammen mit einem Trupp Askaris zu so einer Art Ausstellung hierhergekommen.«
»Es hat im Sommer eine Ausstellung über unsere alten Kolonien gegeben«, ergänzte Schambacher, »mit afrikanischen Tieren und mit so einem nachgebauten Askaridorf.«
Gennat hörte aufmerksam zu. Schambacher fragte sich manchmal, was in diesem Kopf wirklich vorging. Der Mann war auf der einen Seite so ungeheuer dick, aß heimlich Torte aus der Schreibtischschublade, ließ sich von seiner
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