Das Diamantenmädchen (German Edition)
Augenblick wird er dann ja wohl arbeiten, wenn Sie ihn interviewen!«, meinte Togotzes lässig. »Hat er einen Auftrag?«
»Das weiß ich nicht!«, sagte Lilli jetzt sehr aufgeregt. Sie durfte ja von Schuberts Auftrag wahrscheinlich auch nicht erwähnen. »Er ist eben der einzige Diamantenschleifer, den ich kenne.«
»Sie sind Jugendfreunde«, erklärte Schambacher seinem Kollegen und erinnerte Lilli höflich, aber bestimmt: »Freitagabend, Fräulein Kornfeld!«
Sie schlug ihr Notizbuch auf. Ihre Hände zitterten etwas, und sie versuchte, es zu unterdrücken, aber man konnte es wahrscheinlich trotzdem sehen.
Sie zittert, dachte Schambacher, woran lag es? Viele Leute waren aufgeregt, wenn sie mit der Polizei reden mussten. Aber er hatte von ihr bisher den Eindruck gehabt, sie sei nicht eben auf den Mund gefallen.
»Am Freitag war ich auch bei Herrn van der Laan«, erklärte sie.
»Dazu mussten Sie im Notizbuch nachsehen?«, fragte Togotzes kühl und ungläubig. »Tragen Sie Ihre Rendezvous in Ihren Kalender ein?«
Schambacher hatte zum ersten Mal in ihrer gemeinsamen Laufbahn das Gefühl, dass er sich für die Unhöflichkeit seines Kollegen schämte, und wurde im selben Augenblick wütend auf sich selbst. Was tat er da eigentlich? Er hatte seine verdammte Pflicht zu tun!
»Es war ein beruflicher Termin«, antwortete Lilli jetzt kühl. Es half ihr irgendwie, dass dieser Togotzes so unverschämt war. »Herr van der Laan ist ein Experte in Diamanten. Ich weiß nicht, ob Sie mit der Arbeitsweise unserer Redaktion vertraut sind«, sagte sie dann noch und war sich gleich wieder nicht sicher, ob sie nicht zu vorlaut gewesen war, »aber wir sind die größte Illustrierte Berlins. Wir recherchieren gründlich.«
»So so«, machte Togotzes und schrieb etwas in sein Notizbuch.
Das Vorzimmer leerte sich allmählich. Hie und da standen noch kleine Grüppchen von Kollegen herum, die ab und zu neugierig zu Lilli und ihrem Besuch herüberlinsten, aber andererseits war der Publikumsverkehr auch auf dieser Etage oft sehr rege. Der Verlag war immerhin einer der größten Berlins.
»Wie lange sind Sie denn geblieben?«, fragte Schambacher nach. »Und wann sind Sie gekommen?«
»Gegen acht«, sagte Lilli. Das hatte sie sich genau überlegt. »Und gegangen so um halb zwölf. Wir haben noch zusammen gegessen. Wir hatten uns lange nicht gesehen.«
Schlau, dachte Schambacher, das war ziemlich genau der Zeitraum, in dem der Schwarze umgebracht worden war. Gegen ein Uhr hatte der Nachtportier des Theaters das obere Foyer abgeschlossen. Der Mord musste vorher passiert sein, denn erst die Putzfrauen hatten wieder aufgesperrt und dann den Toten auf dem Balkon entdeckt. Lobsam hatte zwar gesagt, dass der Tod allerspätestens bis um vier Uhr morgens eingetreten sein musste, aber er neigte ebenfalls zu der Ansicht, dass es wohl eher um Mitternacht gewesen war. Das passte auch besser zu allem anderen.
»Und wie sind Sie nach Hause gekommen?«, fragte Togotzes knapp.
Das war wieder eine Frage, auf die Lilli nicht vorbereitet war. Aber glücklicherweise hatte sie ja lange Zeit neben Paul gewohnt.
»Mit der U-Bahn, wie sonst?«, sagte sie schnippisch.
»Feiner Gentleman, Ihr Herr van der Laan«, antwortete Togotzes, ohne aufzusehen, »lässt eine junge Dame alleine zur U-Bahn gehen.«
»Ich bin schon ein großes Mädchen«, gab Lilli zurück, »und ich kenne mich dort aus. Ich bin da aufgewachsen.«
Togotzes hatte seine Notizen fertig und sah Lilli jetzt voll an.
»Fräulein Kornfeld«, sagte er dann, »Sie wissen, dass Sie im Falle eines Falles vor Gericht aussagen müssen. Und dass Meineid von unseren Richtern schwer bestraft wird. Wissen Sie, wie es jungen Fräuleins wie Ihnen in unseren Zuchthäusern geht?«
»Werner«, sagte Schambacher jetzt, »Fräulein Kornfeld hat uns gesagt, was wir wissen wollen.«
Togotzes sah ihn mit einem schwer zu ergründenden Blick an. Normalerweise war das ihre Taktik. Togotzes der schnoddrige, harte Polizist, der präzis und klar fragte, Schambacher dagegen mit der süßen Tour, wenn Togotzes nicht weiter kam. Schambacher gab Togotzes zu verstehen, dass sie gehen wollten.
»Danke, Fräulein Kornfeld«, sagte er und streckte die Hand aus. Lilli zögerte etwas, bevor sie sie nahm.
»Es kann sein, dass ich Sie noch einmal sprechen muss«, sagte er, »aber ich werde Sie dann vorher anrufen.«
»Das wäre wirklich nett«, erwiderte Lilli kurz und versorgte ihr Notizbuch in der Handtasche, um
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