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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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Togotzes nicht die Hand geben zu müssen, der allerdings auch keine Anstalten machte, sich ordentlich zu verabschieden.
    Im Gehen drehte sich Schambacher noch einmal spontan um und sagte:
    »Ich … es tut mir leid, Fräulein Kornfeld. Ich wusste das vorher nicht.«
    Dann waren sie beide fort. Lilli setzte sich kurz in einen der Ledersessel für die Besucher und versuchte, sich zu erinnern, was sie jetzt alles gesagt hatte. Anschließend ging sie zwei Etagen tiefer zu einer der vielen Fernsprechkabinen, die eingerichtet worden waren, damit die Journalisten ungestört telephonieren konnten, und rief Paul an. Er war sehr kurz angebunden, als sie ihm berichtete, was sie gesagt hatte.
    »Du musst dir auch überlegen, worüber wir gesprochen haben, warum du mich nicht zur U-Bahn gebracht hast und so weiter«, sagte sie zum Schluss, »und ruf mich dann wieder an.«
    »Ja«, sagte Paul nur knapp und nervös, »danke, Lilli.«
    Dann hatte er aufgelegt. Sie ging nachdenklich durch die quirligen Redaktionsräume zum Treppenhaus. Als sie auf die Uhr sah, war sie überrascht, dass es erst kurz vor halb zwei war. Der Vormittag war so voll gewesen, dass er ihr viel länger vorgekommen war. Während sie ungewohnt langsam die Treppen hinunterstieg, dachte sie über Paul und Schambacher nach. Hatte Schambacher gewusst, wie gut sie Paul kannte? Sie versuchte, sich an ihr erstes Treffen genau zu erinnern. Sie konnte es nicht mehr sagen. Im Rückblick und im Licht dessen, was sie jetzt wusste, sah alles anders aus. Wenn sie gewusst hätte, dass er Paul verdächtigte! Wie konnte das sein? Wie war er ausgerechnet auf Paul gekommen? Bei ihrem Essen hatte er noch gesagt, dass sie nicht weiterkamen. Und dann, als sie durch die belebte Halle auf den Ausgang zur Friedrichstraße zuging, fiel ihr wieder ein, wann Schambacher auf einmal anders gewesen war: nachdem er ihren Anhänger gesehen hatte! Vielleicht hatte es damit zu tun. Sie öffnete die große Tür und trat auf den Gehsteig. Der Lärm der Stadt stürmte auf sie ein. Quäkende Autohupen, das Geklingel ungeduldiger Radfahrer, das Peitschenknallen der Bierkutscher, die Trillerpfeifen der Schutzleute, das heisere Rufen eines Droschkenchauffeurs – eine Kakophonie der Großstadt, die das Durcheinander in ihrem Kopf nur noch verstärkte. Und als sie, immer noch tief in Gedanken, zur U-Bahn ging, um ins Verlagshaus Tempelhof zu fahren, kam ihr der zweite, noch viel beunruhigendere Gedanke, und sie musste kurz stehen bleiben. Sie hatte Paul doch auch nach dem Smaragd gefragt, und er hatte ihn nicht mehr! Für ein paar Sekunden wusste sie nicht mehr, was sie denken sollte, auf einmal zweifelte sie an allem und jedem. Sie musste unbedingt noch einmal mit Paul sprechen. Und mit Schambacher auch, entschied sie, als sie die Treppen aus dem sonnigen Mittagslicht in die Dunkelheit der U-Bahn hinabstieg. Wie in den Hades, dachte sie. Im Gehen fiel ihr ein weggeworfenes Plakat von der Demonstration auf:
    »Gleiches Recht für Frauen!« stand darauf. Lilli musste trotz ihrer Aufgewühltheit ironisch lächeln.
    Tja, das ist der Jammer mit den modernen Zeiten, dachte sie spöttisch, statt Orpheus muss Eurydike in den Hades hinab, um den Liebsten zu retten. Und was auch modern ist, dachte sie weiter, aber da unterquerte sie schon die Straße zu ihrer Station, das ist, dass Eurydike nicht einmal genau weiß, wer ihr Orpheus ist.

19
    Gennat thronte wie ein ungeheurer Buddha in grüner Strickweste und abgeschabtem Jackett am Kopfende des Tisches im dritten Stock des Alex. In das Jackett hätte Schambacher zweimal hineingepasst, es war groß wie ein Zelt. Die Luft in dem viel zu kleinen Besprechungsraum war vollkommen verqualmt. Der einarmige Trettin rauchte seine übliche billige Zigarre, Nebe, den Schambacher nicht leiden konnte, weil er eigentlich keine Ahnung von Ermittlungen hatte, rauchte Pfeife wie er selbst, aber auch davon hatte er keine Ahnung. Schambacher hatte schon erlebt, wie er es geschafft hatte, in einer ihrer Besprechungen einen Pfeifenkopf ausbrennen zu lassen. Gennat, Togotzes und die anderen rauchten Zigaretten. Nur Dettmann rauchte nicht, aber dafür hatte er seinen Mantel nicht ausgezogen. Schambacher konnte nicht verstehen, dass Gennat das erlaubte. Dettmann hatte immer einen entsicherten Revolver in der Manteltasche. Kein anderer Kommissar trug ständig eine Waffe mit sich herum. Schambacher war ziemlich sicher, dass Dettmann unter einem leichten Verfolgungswahn litt. Der hatte bei

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