Das Disney World Komplott
unangezündete Zigarette vom einen in den anderen Mundwinkel. »Schön zu erfahren, daß jemand wie du noch immer einen wie mich gebrauchen kann, Captain.«
»Ohne dich würde Castro mich jetzt in der Pfeife rauchen, wäre er kein Zigarrenraucher.«
»Offen gestanden, es gibt einen bestimmten Grund für mein Aufkreuzen.«
Jetzt erst bemerkte Blaine die sorgenvolle Miene Harry Limes. »Dann mal raus mit der Sprache.«
»Du mußt mir helfen. Deshalb habe ich diesen Flug übernommen. Darum habe ich dich rausgeholt. Hätte Castro dich eingelocht, wäre ich genauso aufgeschmissen, wie du.«
»Das ist schwer zu glauben, Harry.«
»Durchaus nicht, verlaß dich drauf. Es ist da nämlich etwas vorgefallen, Captain …«
Kapitel 2
Susan Lyle hatte schon viele Male in der Isolationsstation Laborarbeiten verrichtet. Aber nichts hatte sie auf die Autopsien vorbereiten können, die sie nach der Rückkehr aus Cambridge nach Atlanta – am frühen Montagmorgen – persönlich durchführen wollte. In einem Tiefkühlraum der SKZ-Düsenmaschine, de facto längst Susans Flugzeug, waren fünf Leichen mitbefördert worden. Normalerweise übernahm ein Spezialist diese Aufgabe, ein Pathologe, nachdem Susan die Vorarbeiten abgewickelt hatte, und den Rest erledigte ein Medizinerteam der Sonderabteilung Brandwacht. Diesmal jedoch stand Susan unter dem Bann von einer Art Hauptverantwortlichkeitswahn. So lange und so gründlich hatte sie sich für den Krisenfall geschult, daß es ihr jetzt widerstrebte – zumal in einer dermaßen heiklen Angelegenheit –, Verantwortung zu delegieren. Zudem mußte der Risikofaktor berücksichtigt werden. Beide Pathologen der Sonderabteilung Brandwacht hatten Familie, und nach Susans Auffassung verbot es sich daher, sie der Ansteckungsgefahr durch Leichen von Cambridge auszusetzen.
Die Katastrophe vermittelte ihr eine gewisse Vertrautheit mit Risiken. Das Geschöpf, das sie im Einkaufszentrum angesprungen und ihr die Helmplatte zerschlagen hatte, war ein Hund gewesen: ein von Angst geschüttelter, schreckerfüllter, aber quicklebendiger Hund. Susan hatte vor Panik der Atem in der Kehle gestockt, als die potentiell verseuchte Luft durch das zerbrochene Plastik in den Schutzhelm drang.
Jetzt ist es passiert, hatte sie gedacht. Mein Gott, es hat mich erwischt!
Als der Hund ihr mit der Zunge das Gesicht leckte, hatte sie gemerkt, daß sie noch lebte. Sie schaffte es, sich so weit zusammenzunehmen, um das Tier zu beruhigen. Anschließend war sie noch eine halbe Stunde lang in der Passage geblieben, bis von einem der sechs regionalen SKZ-Krisenmanagementzentren – aus Connecticut – eine Dekontaminationsmannschaft eingetroffen war. Mit einer an Irrsinn grenzenden Ruhe hatte sie ihre qualvolle Besichtigung der Einkaufspassage fortgesetzt. Dem Tod ins Auge geblickt zu haben gab ihr das Gefühl, dem noch unbekannten Biotyp-4-Agens, das dieses Gebäude heimgesucht hatte, überlegen zu sein. Es versteckte sich vor ihr; das Agens hatte Furcht. Die erste Runde hatte sie gewonnen.
Sie betrachtete die erforderlichen Autopsien als die zweite Runde. Vor dem Betreten des Isolationstrakts, wo die Leichen lagen, mußte sie sich zur Vorbereitung mehreren Sicherheitsvorkehrungen unterziehen, die ihr maximalen Schutz garantieren sollten. Susan wurde mit Wasser und Chemikalien geduscht, per Gebläse heißluftgetrocknet, eingepudert und in mehrere Monturen Schutzkleidung gehüllt, die man nach Abschluß ihrer Arbeit vollständig verbrennen würde.
Susan war der Meinung gewesen, sich innerlich genug für die Herausforderung gesammelt zu haben, doch als der Zeitpunkt kam, an dem sie den Trakt betrat, litt sie unter einer derartigen Anspannung, daß sich die schweren Handschuhe noch klobiger anfühlten und ihr in der Schutzkleidung zumute wurde wie in einem Ofen. Der Anzug hatte keinen eigenen Sauerstofftank, sondern bezog Atemluft durch einen Schlauch an der Wand, dessen Düse in seinen Einfüllstutzen paßte. Wohin sie sich auch wandte, der Schlauch hing an ihr wie eine Kette. Jeder Atemzug war eine Anstrengung, und die Helmscheibe beschlug sich, bis es ihr zu guter Letzt gelang, sich zu beruhigen.
Als sie die erste Autopsie begann, konnte sie durch die Scheibe wieder deutlich genug sehen. Ihr Skalpell zertrennte das tote Fleisch in der Oberkörpermitte des Leichnams wie zerknitterten Karton. In früheren Jahren war bei Vorliegen eines Biotyp-4-Agens der Gebrauch von Skalpellen oder sonstigen scharfen
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