Das Disney World Komplott
sagte Susan, als sie von dem Reservat fortfuhren, »aber trotzdem …«
»Sie bedauern, daß er Ihnen jetzt nicht mehr helfen kann, den Krebs zu besiegen.«
»Ach, ich weiß auch nicht … Es kommt mir nur wie eine Verschwendung vor …«
»Die Alternative lautet, daß Sal, Johnny und ich bis an unser Lebensende nichts anderes mehr tun können, als den Jungen zu schützen. Und selbst dann können wir nicht sicher sein, ob es nicht doch jemandem eines Tages gelingt, ihn zu entführen.«
»Ist er hier denn soviel sicherer?«
»Zumindest kann man einen Feind schon von sehr weit kommen sehen.«
Die beiden schwiegen für einen Moment.
»Joshua ist anders als wir alle. Er will die Welt bessermachen und läuft dabei Gefahr, ausgenutzt und manipuliert zu werden. Vielleicht ist er mir darin doch etwas ähnlich, und möglicherweise habe ich mich im Spiegel gesehen. Was meinen Sie dazu?«
»Psychologie ist nicht mein Fachgebiet.«
»Meins auch nicht. Damit reduziert sich alles auf die Chancen. Wie viele erhält man in seinem Leben? Ich glaube, ich habe eine ganze Menge bekommen. Und deshalb habe ich mir gedacht, der Junge verdient auch eine – mehr noch, er soll etwas haben, das mir fehlt.«
»Ein Zuhause.«
»Einen Ort, an den man sich zurückziehen kann, wenn alle Arbeit getan ist.«
»Für Sie ist aber nie alle Arbeit getan, nicht wahr?«
»So bin ich nun einmal, und so hat es das Leben wohl auch für mich vorgesehen.«
»Macht Ihnen das was aus?«
»Nein.«
»Mich würde das krank machen. Ich bin nämlich nicht auf einer Straße gefangen, die ich immer weitergehen muß. Ich kann aussteigen, kann die nächste Abfahrt nehmen. Vielleicht finde ich ja eines Tages ein Heilmittel gegen den Krebs. Aber Sie und Josh müssen ständig weiterziehen.«
»Wenn es anders wäre, würde es mir bestimmt keinen Spaß mehr machen.«
»Auf Josh wartet aber noch eine Straßensperre …«
»Haslanger.«
»Ja. Er ist der einzige, der noch über ihn Bescheid weiß.«
»Da gibt es leider noch einen, um den wir uns kümmern müssen.«
Livingstone Crum schaltete seinen Kassettenrecorder ein, damit sein neues Rezept der Nachwelt erhalten blieb. Es war ihm zu lästig, alles aufzuschreiben.
»Heute beginne ich meine eigene Version von Braciolette Ripiene«, sprach er in das Mikrofon und listete die Zutaten auf, die auf seiner Küchenanrichte aufgereiht standen: »Zwölf kleine Scheiben Kalbfleisch vom Bein, zwölf dünne Scheiben mageren Schinken, drei Eßlöffel Ananasstückchen, eine Tasse kleingehackte Petersilie …«
Der fette Mann hielt plötzlich inne und drehte sich um. Ein kleiner, dunkler Mann mit einer gebogenen Nase war unvermittelt in der Küche erschienen, bediente sich mit einer Hand großzügig aus den Schälchen Crums und richtete mit der anderen eine Pistole auf ihn.
»Und zwei Kugeln in den Kopf«, beendete Sal Belamo das Rezept.
Alles in allem hätte es für Erich Haslanger nicht besser ausgehen können. Die Katastrophe im Magic Kingdom war voll und ganz Colonel Fuchs angelastet worden. Man hatte Haslanger sogar belobigt, und damit war Gruppe Sechs gerettet. Er würde weiter dabeisein, weil das Land ihn brauchte, und insbesondere General Starr.
Haslanger hatte bereits die Akte zerstört, die Fuchs über ihn angelegt hatte, und nun war seine Vergangenheit nicht mehr existent. Der neue Chef, der an die Stelle des Colonels treten würde, hatte keinerlei Anlaß, dumme Fragen zu stellen.
Eines Tages würde auch Joshua Wolfe zu ihm zurückkehren. Möglicherweise mußte Haslanger ein wenig nachhelfen, aber im Lauf der Zeit würde der Junge immer mehr begreifen, wohin er in Wahrheit gehörte.
Haslanger füllte seinen Becher mit Wasser und ließ sich am Schreibtisch nieder. Für eine Weile waren alle Projekte von Gruppe Sechs eingestellt – so lange, bis die Untersuchungen über die Ereignisse im Magic Kingdom abgeschlossen waren. Natürlich würde dabei nichts herauskommen, weil Starr persönlich die Untersuchungen leitete.
Haslanger nahm einen tiefen Schluck, dann noch einen und seufzte anhaltend. Merkwürdigerweise vermißte er Krill, gestand sich aber ein, daß damit eine weitere Verbindung zu seiner Vergangenheit gekappt war.
Er ertappte sich dabei, wie seine Lider schwer wurden. Er zuckte hoch und zwang sich wachzubleiben. Wie jemand, der nachts alleine eine lange, dunkle Straße entlangfuhr. Da passierte es wieder.
Haslanger riß die Schreibtischschublade auf und suchte nach seinen Pillen.
So
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