Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
mit der Streichholzschachtel. »Ich bin gar kein starker Raucher. Meine Leidenschaften lösen sich nicht in Qualm auf – sie bleiben in meinen Händen. Aber wenn ich einmal rauche, hat das immer einen fast festlichen Grund. Ein gutes Mittag- oder Abendessen, eine freudige Nachricht, eine Erfolgsmeldung, das satte Ausruhen neben einer nackten, schönen Frau oder auch nur – wie jetzt – der Anblick einer Wuginskaja, die so himmlisch wütend ist. Es wird meine beste Pfeife werden … ich meine, die man rauchen kann.«
    Sie starrte ihn fast ungläubig an ob dieser Frechheit, sprang dann auf und trommelte mit beiden Fäusten gegen die Scheibe des Abteils.
    »Ich verabscheue Sie!« rief sie. Daß ihr Atem dabei flog, geschah gegen ihren Willen, aber sie konnte es nicht abstellen. »Sie glauben wohl, Sie und Ihre Art wirken auf eine Frau wie Champagner? Fades Wasser ist es! Faulig! Kloakenbrühe! Sie widern mich an!«
    Shukow nickte mehrmals, griff in die Rocktasche, holte eine Schachtel Papyrossi heraus, die er noch in Jakutsk gekauft hatte, und warf sie wortlos der Wuginskaja zu. In einer Reflexbewegung fing sie die Schachtel auf, ließ sie aber gleich wieder auf den Sitz fallen.
    »Sie verführen mich nicht!« schrie sie hell.
    »Sie zum Rauchen einer Zigarette zu verführen, entspricht nicht meinem Stil. Ich verführe schöne Frauen nie zu Banalitäten! Ich lade Sie nur ein, mitzumachen. Verbotenes gemeinsam zu tun, ist das Salz des würzelosen Alltags.«
    »O Sie kluger, neunmal kluger Titan! Sie Genie der Worte! Hier, im warmen, trockenen Abteil können Sie wie Samson sein, der Säulen umstemmt … aber nachher, draußen, im Regen, im Fluß, da nützen Ihnen Worte gar nichts.«
    »Davor habe ich – das gebe ich zu – auch Angst.«
    »Aha!«
    »Angst um Sie, Valja Johannowna. Wenn wir wirklich so wahnsinnig sind und den Fluß überqueren wollen, möchte ich Sie am liebsten auf meinen Rücken schnallen, so wie man in Afrika und Asien die Kinder transportiert.«
    Sie schwieg, die goldenen Punkte in ihren Pupillen glitzerten wieder. Und dann erschien in den Mundwinkeln ein zartes Lächeln und überhauchte das schmale Gesicht mit einer inneren Sonne. Shukow starrte sie fassungslos an. Ohne den Blick von ihm zu lassen, griff sie zu den Papyrossi, zog eine aus der Schachtel, kniff das lange Pappmundstück zweimal zusammen und steckte es sich zwischen die roten Lippen.
    »Haben Sie Feuer, Wassja Grigorjewitsch?«
    Shukow riß ein Streichholz ab, sie rauchte die Zigarette hastig an, und er hatte Zeit genug, mit dem gleichen Streichholz seine Pfeife anzuzünden. Sein Tabak roch ätzend, wie angesengtes feuchtes Leder. Die Wuginskaja kräuselte die kleine, schmale Nase. Sie schnupperte wie ein Eichhörnchen.
    »Verdienen Sie so wenig?« fragte sie dann.
    »Ich bin ein einfacher Ingenieur. Ärzte können sich vielleicht türkischen Tabak leisten oder Zigaretten aus Grusinien. Ich nicht. Soll ich die Pfeife ausgehen lassen?«
    »Nein. Bitte nicht. Ich gewöhne mich schon daran.«
    Sie setzte sich wieder ans Fenster, blickte in den strömenden Regen und rauchte langsam ihre Papyrossa. Shukow trat neben sie, seine Hüften berührten ihre Schulter, und er hatte das Gefühl, als wenn sie zusammenschauerte. Vor dem Zug, zum Fluß hin, rannten jetzt viele vermummte Gestalten durch den Regen. Teile der weggerissenen Brücke trieben schnell in der Strömung davon … die Katastrophe schien vollkommen zu sein.
    »Alle Fünf- oder Zehnjahrespläne sind Mist«, sagte Shukow nüchtern. »Rußlands Natur läßt sich nicht reglementieren. Man kann versuchen, sie in den Griff zu bekommen, aber schließlich macht sie doch immer, was sie will. Rußland ist wie eine Frau. Man kann sie besitzen, und trotzdem gehört sie einem nicht.«
    »Sie haben nie richtig geliebt, Wassja Grigorjewitsch. Für Sie ist eine Frau nur Körper. Nur Materie! Ich bemitleide Sie.«
    »Ich habe einmal gespürt, was Liebe ist, hinter der Gott steht, wenn ich mich so altmodisch ausdrücken darf. Liebe, bei der man auf einem Sternenbett liegt, weit weg vom Irdischen, obgleich die Körper etwas ausgesprochen Kreatives tun. Aber man empfindet es nicht so … man ist irgendwie gestorben und lebt nur in der Liebe weiter, in einem außerirdischen Raum, losgelöst von den schwitzenden, stöhnenden, aufeinanderstampfenden, heißhäutigen, durch und durch zitternden Körpern, die wie Maschinen, wie zwei große Pressen gegeneinanderprallen und aufschreien in der Glut, die aus

Weitere Kostenlose Bücher