Das Doppelspiel
unmöglich.«
Sie hob den Kopf. Ihr schwarzes Metallhaar schimmerte in der trüben Deckenbeleuchtung. »Gibt es bei Ihnen eigentlich ein Unmöglich?«
»Jetzt ja.« Shukow betrachtete sie ungeniert. Du bist mir zu gefährlich, dachte er. Du bist kein Abenteuer, das nur eine Bahnfahrt lang dauert. Du behältst in deinen Krallen, wer sich dir ausliefert. »Es ist mir noch nie gelungen, mich nackt in Gegenwart einer schönen Frau zu bewegen, ohne gewisse biologische Gesetzmäßigkeiten auszuführen –«
»Seien Sie still!« hatte die Wuginskaja gezischt. »Wassja Grigorjewitsch, Sie sind ein verdammter Schwätzer.«
Ihr Kopf fiel auf den zusammengeknüllten Mantel zurück, sie schloß die Augen und legte die Hände über ihre spitzen Brüste. Shukows Gedanken beschäftigten sich damit, ob sie jetzt wohl erwartete, daß er sich zu ihr beugte und sie küßte. Oder daß er ihre Bluse aufknöpfte und ihre Brüste liebkoste, seine Hand über ihren Schoß gleiten ließ und die Zärtlichkeit seiner Finger ihre Schenkel mit zitterndem Pulsschlag erfüllte. Mehr war nicht möglich … man konnte die Abteiltür nicht mit einem Vorhang undurchsichtig machen, und selbst wenn man das Licht löschte, gab die Gangbeleuchtung noch so viel Helligkeit her, daß man alles erkennen konnte. Und der Zugleiter kam ja auch ab und zu herein, oder die Offiziere aus den Nebenabteilen standen im Gang, rauchten und vertraten sich die Füße mit Hin- und Hergehen.
Aber wartete sie dennoch darauf? Sie lag da wie eine Aufforderung. Ihre geschlossenen Lider vibrierten leicht, ein Beweis, daß sie nicht schlief, sondern sich nur schlafend stellte und auf die nächsten Minuten lauerte. Shukow stand auf, holte seinen dicken Mantel aus der Gepäckablage, entfaltete ihn und deckte ihn über Valjas Körper. Als er weggehen wollte, schnellte ihre Hand vor und hielt ihn fest.
»Danke –«, sagte sie leise.
»Sie sollen nicht frieren«, erwiderte er.
»In Ihnen sind zwei Wesen, Wassja Grigorjewitsch.«
»Das stimmt genau«, sagte er ehrlich. »Aber beide sind nicht viel wert. Schlafen Sie gut, Valja Johannowna.«
»Sie auch, Wassja …«
Er streckte sich auch aus, auf der Bank ihr gegenüber, und bemerkte, wie sie ihn unter den Wimpern ansah. Ich komme nicht zu dir, dachte er und drehte das Gesicht zur Wand, was sehr unhöflich war, denn dabei mußte er ihr seinen Hintern entgegenstrecken. Doch das paßte zu dem Bild, das er bemüht war, von sich zu zeichnen. Gefährlich wird es nur, wenn sie zu mir kommt, dachte er weiter. Verdammt, ich weiß genau, was sie denkt und was sie will … ob in Texas oder Alaska, in Moskau oder auf der Fahrt in das einsamste Sibirien – eine Frau ist überall ein Bündel heimlicher Sehnsüchte. Und jede ist glücklich, wenn man versteht, dieses Bündel aufzuschnüren.
Nun also, in der wasserdurchfluteten Morgendämmerung, fiel sie von der Bank, weil der Zug abrupt bremste. Shukow stieß mit der Stirn heftig gegen die Abteilwand, fluchte wie ein guter Russe mit den unflätigsten Worten, warf sich dann herum und half der Wuginskaja wieder auf die Beine. In den anderen Abteilen mußte das gleiche geschehen sein, denn überall hörte man wütende Stimmen. Auf dem Gang drängten sich einige halbangezogene Männer.
»Wir stehen«, sagte Shukow und drückte das Gesicht gegen die Fensterscheibe. »Mitten im Gelände. Ich ahne nichts Gutes.«
Der Zugleiter brachte bald Gewißheit. Er stürzte ins Abteil, setzte sich auf die Bank und sah die Wuginskaja fast flehend an.
»Lassen Sie mich bei Ihnen Luft holen!« stöhnte er. »Die anderen Genossen … welch ein Benehmen! Sie spucken mich fast an. Bin ich verantwortlich, daß der Himmel einstürzt? Ich bin Leidtragender wie sie. Aber nein, nein – sie müssen einen haben, an dem sie ihre Wut abreiben wie Säue ihren Dreck an einem Baumstamm. Was passiert ist? Der Fluß ist sechsmal so hoch als sonst und neunmal so breit geworden. Wie kann man das vorher berechnen, frage ich? Kann man solche Abnormitäten einkalkulieren? Kurz und gut: Die Brücke ist weggerissen! Endstation!«
»Dann fahren wir also zurück?« fragte Shukow.
»Zurück geht auch nicht. Wir sind froh, daß wir überhaupt bis hierher gekommen sind. Was glauben Sie, wie es hinter uns aussieht? Eine neue Sintflut ist das! Es gibt keinen festen Boden mehr im Umkreis von tausend Werst. Nur noch Morast. Wenn Sie jetzt aus dem Waggon springen, Genosse, sinken Sie bis zum Bauchnabel ein. Wie eine Rübe stecken Sie in
Weitere Kostenlose Bücher