Das Doppelspiel
bin kein Arzt. Ich helfe nur der Genossin. Sie ist die neue Lagerärztin von Ottokh.«
»O weh! Ein so schönes Vögelchen mit so eisernen Krallen! Sehen Sie meinen Arm an … das sind mindestens sechs Wochen Gips und dann vier Wochen Schonarbeit. Zehn Wochen nicht in den Steinbruch. Ich werde neu geboren!«
»Sie reden zuviel, Wassja Grigorjewitsch«, sagte die Wuginskaja zu Shukow, packte roh den rechtwinklig abstehenden Arm des Verletzten und zog ihn gerade. Der Mann brüllte auf, die Augen quollen ihm aus den Höhlen, sein Gesicht fiel ein, als sei es vorher mit Luft aufgeblasen gewesen und man habe nun eine Nadel hineingestochen. »Man heilt nicht mit Worten, sondern mit Taten!«
»Das hier war gemein«, sagte Shukow rauh. »Valja Johannowna, tun Sie das nie wieder!«
»Der Arm ist wieder gerade, was wollen Sie mehr?« Ihre schwarzen Augen mit den goldflimmernden Pupillen blitzten ihn an. Das tatarische schmale Gesicht schien maskenhaft, aber auf den hohen Backenknochen lag eine feine Röte, als glühe sie von innen. Mein Gott, welch eine Frau, durchfuhr es Shukow. Man kann sie lieben und dann an ihr zugrunde gehen, etwas anderes ist gar nicht möglich. Oder man kann vor ihr flüchten, mit wirklicher Angst vor diesem Elementarereignis, und genau das werde, muß ich tun! Einmal in den Armen dieser Frau, und man löst sich in einzelne Elemente auf. Man zerfällt.
»Und was wollen Sie tun, wenn ich es wieder mache?« fragte sie voller Aggressivität.
»Vielleicht verprügele ich Sie.«
»Das wäre Ihr Tod!«
»Wie gleichgültig mir das ist. Aber Sie hätten zum erstenmal eine Niederlage erlitten.«
Sie schienten den Arm des Verletzten, umwickelten ihn mit Mullbinden und sprachen kein Wort mehr miteinander. »Gips gibt's später im Lagerlazarett!« sagte die Wuginskaja danach zu dem Sträfling. »Du hast falsch zugelangt, Halunke. Es ist der linke Arm. Mit dem rechten kannst du weiterhin Steine klopfen. Wenn überhaupt, dann brich dir beide Arme.«
»Scheiße!« Der Verletzte sah Shukow flehend an, während die Wuginskaja weiter unter der niedrig gespannten Plane durch den Schlamm zu einem Mann kroch, der nach Luft japste. Sein Gesicht war blau und aufgedunsen. »Warum sind die Weiber besonders ekelhaft, sobald sie ins Lager kommen? Ein Lagerarzt, gut, mit dem kann man verhandeln … aber eine Ärztin?! Arbeitsfähig, arbeitsfähig, arbeitsfähig – und wenn das Letzte, was wir noch bewegen können, unser Schwanz ist.«
»Da liegt die einzige Antwort. Eine Frau unter tausend Männern, in der Einsamkeit Sibiriens. Grausamkeit ist dann das einzige Ventil.«
»Ich bin Professor für Elektronik«, sagte der Mann mit dem Armbruch. »Zehn Jahre wegen Defaitismus. Ich hatte einen Fünfjahresplan Blödsinn genannt. Ein Wust von Papieren und Plänen, aber kein technisches Fundament. Ich weiß, was Sie denken. Unsere Kosmonauten. Das sind Paradepferde, die der Welt in einer riesigen Manege vorgeführt werden. Die Millionen Ställe mit elenden Kleppern aber sieht keiner. Rußland ist in einem ungeheuren Aufbruch, das stimmt alles. Wir rennen mit im technischen Zeitalter und sind schon in der Spitzengruppe, aber die anderen haben Rennschuhe mit Gleitsohlen – wir laufen noch in Nagelschuhen.«
»Kommen Sie her, Wassja Grigorjewitsch!« rief vom anderen Ende des Notlazaretts die Wuginskaja. »Hier können Sie ein zerquetschtes Bein sehen, das amputiert werden muß.«
Shukow kroch in die andere Ecke und hockte sich neben die Wuginskaja. Der Verletzte war besinnungslos, sein Bein war oberhalb des Knies zermalmt. Die Knochensplitter staken wie Speckstreifen im Muskelgewebe … ein gespicktes Stück Fleisch.
»Sie wollen hier amputieren?« fragte Shukow fassungslos.
»Nein. Drüben im Lager natürlich.«
»Der Mann kommt mit dem Bein nie über den Fluß.«
»Dann soll er glücklich sein.« Sie deckte das zermalmte Bein zu und richtete sich auf. Trotz Planen war sie völlig durchnäßt, die grüne Bluse klebte auf ihrem Oberkörper, und Shukow sah, daß sie darunter keinen Büstenhalter trug. Durch den nassen Stoff drückten sich ihre spitzen Brüste, gekrönt von den kleinen, runden, harten Warzen. Sie bemerkte seinen Blick und kräuselte die Nase.
»Ihre Augen sind penetrant!« sagte sie.
»Verzeihung, Valja Johannowna.« Er wandte sich ab und verließ den Verbandplatz. Draußen schlug er die gelbe Plane wieder über sich und lief hinunter zu dem sich immer weiter ausbreitenden Fluß. Hunderte von Sträflingen
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