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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bemühten sich, Säcke mit feuchter Erde zu füllen und einen armseligen Damm um den in den Boden gerammten Doppel-T-Träger zu bauen. Auf der anderen Flußseite, wo anscheinend das ganze Lager Nowo Sosnowka im Einsatz war, denn dort wimmelte es von Menschen, hatte man drei Drahtseile an Eisenträgern und dicken Bäumen befestigt und trug jetzt das Motorboot, 40-PS-Außenbordmotor, zum Wasser. Der Mann, der etwas zu sagen hatte – Shukow kannte jetzt endlich seinen Namen, er hieß Afanasj Kornejewitsch Pribylow –, schob sich wieder an seine Seite und schnaufte wie ein Flußpferd.
    »Jetzt kommt das Seil herüber, Genosse! Und dann läuft unsere Fähre. Ich garantiere. Als ob uns so ein verdammter Fluß kleinkriegte!«
    »Wieviel Verluste haben sie drüben?« fragte Shukow.
    Die Verständigung mit den Walkie-Talkies klappte vorzüglich. Pribylow winkte großzügig ab.
    »Zweiundsiebzig. Davon sind neun ersoffen. Weggerissen von den Strudeln. Ich habe manchmal den Eindruck, die Lumpen aus dem Lager verletzen sich selbst, ja suchen sogar eine Gelegenheit, sich umzubringen.«
    »So löst man Probleme.«
    »Haha!« Pribylow lachte und klopfte Shukow auf die Schulter. »Sie sind ein lustiger Mensch. Ich mag Sie. Sie denken wie ich: Alles im Leben ist Scheiße – man muß sie nur richtig würzen.«
    »Aber dann müssen wir sie auch fressen, und das gefällt mir gar nicht.« Shukow ging so nahe an den unbändigen Fluß, bis die ersten rasenden Wasser seine Stiefelspitzen erreichten. Drüben wurde das Motorboot in die Tjuganja gelassen, von Seilen und schätzungsweise dreißig Männern festgehalten. Man konnte sie nicht zählen. Plötzlich war auch die Wuginskaja wieder neben Shukow, ein gelber Käfer, der an ihn herankroch, seine Plane lüftete und unter Shukows Kunststoffschutz schlüpfte. Die Nähe ihres Körpers irritierte ihn sofort wieder. Sie preßte sich an ihn; er spürte, daß sie fror, und legte den Arm um sie.
    »Alle Verletzten sind versorgt«, sagte sie. »Zufrieden, großer Bär?«
    Er blickte sie kurz an: ihre durch den nassen Stoff sich drückenden Brustwarzen, das regenüberströmte hochknochige Gesicht, die schrägen Mandelaugen, die schwarzen, von der Nässe zusammengeklebten langen Haare, die auch jetzt den Metallschimmer nicht verloren hatten. Schwarzer, gesponnener Stahl.
    »Merkwürdig«, sagte er.
    »Was ist merkwürdig?«
    »Auch Dunja nannte mich ›Großer Bär‹!«
    »Das wußte ich nicht. Ich werde Sie nie mehr so nennen! Nie mehr! Ich habe das Wort nie gesagt. Vergessen Sie es! Oh, wie hasse ich sie, diese Dunja! Selbst die Namen nimmt sie mir weg!«
    »Valja Johannowna – wir sollten nie mehr den Fehler begehen, mehr als Freunde zu sein.«
    »Etwas anderes wäre furchtbar für uns beide.«
    »Ich möchte Sie dafür küssen, daß Sie das einsehen.«
    »Und so etwas diskutiert man unter einer Kunststoffplane auf einem Land, das in einer neuen Sintflut untergeht. Wassja Grigorjewitsch, wir sind doch verrückt.«
    »Es ist herrlich, so verrückt zu sein! Ein normales Leben zu führen, ist eine vorweggenommene Hölle. Ich stelle mir die ewige Verdammnis so vor, daß man in Filzpantoffeln in einem Sessel sitzen und mit den eigenen Händen spielen muß.«
    Der Zugleiter unterbrach sie. Er rannte heran wie ein gelbes Rieseninsekt und wedelte mit beiden Armen.
    »Wir haben vom Zug aus Funkverbindung mit Ottokh! Endlich Ottokh. Aber helfen können die auch nicht. Die versaufen ebenfalls. Stellen Sie sich vor, Genossen! Sogar der Militärflugplatz ist unbrauchbar geworden. Der Regen hat die Landebahnen unterspült … und wupp, waren sie einen Meter tief weggesunken. Jetzt stehen die Hubschrauber und Flugzeuge im Hangar, bis zu den Tragflächen im Wasser. So eine Katastrophe! Was werden die Zeitungen schreiben …«
    »Gar nichts«, sagte Pribylow giftig. »Für die Außenwelt gibt es uns doch gar nicht. Wo wir hier sind, ist auf allen Landkarten ein weißer Fleck. Unbewohnt. Urtaiga. Also Ottokh kann uns nicht mehr helfen. Gut. Dann machen wir weiter auf unsere Art.«
    Drüben hatten sie es erreicht, das Motorboot mit den aufgerollten Stahlseilen ins Wasser zu lassen und hielten es fest. Vier Männer kletterten in den Kahn, warfen den Außenbordmotor an und banden sich dann mit Stricken an den Haken fest, in die man auch die Ruder hängen konnte.
    »Bekommen die einen Orden, wenn sie uns erreichen?« fragte Shukow sarkastisch.
    »Nein.« Pribylow lächelte breit, er fand Shukow sehr witzig und

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