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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bevor ich dein Lager wieder verlasse, Wassili Michailowitsch Jankow, schlage ich dir den Schädel ein. Man wird dich nie finden, du bleibst in Sibirien rätselhaft verschollen.
    Auch das haben wir in der Ausbildung gelernt.
    Sie mußten zwei Wochen im Lager bleiben.
    Der Plan mit den Schlitten und den Sträflingen als Schlittenhunden war nicht durchführbar. Selbst Major Jankow sah das ein, nachdem zwei Tage später der Fluß das Dorf erreicht hatte, und der Weg nach Ottokh einer Wasserwüste glich. Man konnte nur noch warten, daß die Sintflut aufhörte und die nahende Kälte den Regen in Schnee verwandelte und der Boden festfror. Dann allerdings würde es den großen Aufbruch geben. Frost in Sibirien ist haltbarer als eine Autobahn.
    Shukow und die Wuginskaja bewohnten zwei Zimmer in der Kommandantur außerhalb des Lagerkomplexes. Das Essen war gut und reichlich, es gab sogar Wein aus dem Kaukasus, worauf Major Jankow sehr stolz war. Die Sträflinge waren erstaunlich friedlich, wenn man weiß, wie es in anderen Lagern zugeht, wo die kriminelle Abteilung grundsätzlich die Vorarbeiter stellt, die Kalfaktoren, die Spitzel, überhaupt die ganze innere Hierarchie des Lagers. Von der Latrine bis zum Krematorium beherrschten die Kriminellen das eingefangene Leben, waren die Vertrauten der Wachmannschaften und lebten von Bestechungen. Am ärmsten waren die Politischen dran. Sie galten sowieso als Idioten, denn sich für eine Idee lebendig begraben zu lassen, ist für einen Kriminellen der Gipfel des Irrsinns.
    »Es hat nur einmal eine Revolte gegeben«, sagte Major Jankow, als er Shukow und die Wuginskaja am vierten Tage durch das Lager führte, natürlich unter starkem Militärschutz, denn tausend Häftlinge, die eine wunderschöne Frau ansehen dürfen, sind tausend Explosionen wert. »Das war direkt nach Stalins Tod. Als er bekannt wurde, dachte man, jetzt könne man mit den Muskeln rollen. Es gab siebzig Tote: Die Unbelehrbaren rannten tatsächlich gegen unsere Maschinengewehre an. Seitdem ist Ruhe. Die Inhaftierten haben eine Selbstverwaltung, einen Lagerleiter eigener Wahl, eine Musikkapelle, eine Theaterabteilung, einen Sportverein, eine Schachmannschaft und einen Gesangverein. Der hat sogar vor drei Jahren in Jakutsk bei einem Wettbewerb den zweiten Preis gewonnen.«
    »Unfaßbar!« sagte Shukow ehrlich. Er ging durch das Lager, sah, daß alles stimmte, was Jankow da erzählte, allerdings in sehr primitiven Ausmaßen … aber es gab das alles wirklich. Ich bringe ihn doch nicht um, dachte Shukow. Er kann nicht aus seiner Haut. Er ist ein Russe. Er jagt die Leute bis zum Umfallen in die Steinbrüche, aber abends dürfen sie Schach spielen oder Walzer von Johann Strauß tanzen. Und die Theaterabteilung probt gerade ›Der Revisor‹ von Gogol. Es ist nicht zu fassen! Man wird die russische Seele nie verstehen. Nie! Sie gehört zu den Phänomenen dieser Erde!
    Das Lagerlazarett allerdings war eine Katastrophe – die Ausnahme gewissermaßen. Chefarzt Dr. Fedjunin, ein fast zwei Meter langer, nach vorne gekrümmter Leptosom, mit einer Nickelbrille, dicken Tränensäcken und psychisch unter seiner Häßlichkeit leidend, die er nicht einmal bei einer Hure aufwerten konnte, weil es im Umkreis von 500 Werst keine Huren gab, reichte Shukow und der Wuginskaja eine schlaffe Hand und führte sie dann durch das, was er Krankenhaus nannte. Von den vorhandenen vierzig Betten waren nur neun belegt. Es waren Fälle, die ohne Frage auf eine Intensivstation gehörten. Anscheinend fing bei Dr. Fedjunin eine Krankheit erst in diesem Stadium an, bettreif zu werden.
    Die Wuginskaja sagte gar nichts. Sie betrachtete die Kranken, durchschritt die anderen Räume, den OP, das Labor, die Banja, das Magazin, die Apotheke, die Küche und den Sezierraum, wo Dr. Fedjunin einer stillen Leidenschaft frönte: Bevor er die Toten ins Krematorium schaffen ließ, schnitt er sie erst auf und zerlegte jeden Leichnam säuberlich in seine anatomischen Einzelteile. Ein Puzzlespiel im umgekehrten Verhältnis.
    Beim Abschied gab die Wuginskaja ihrem Kollegen Dr. Fedjunin nicht mehr die Hand, aber sie sagte ruhig: »Ein schönes Lazarett! Gratuliere! So eines wünsche ich mir auch in Ottokh.«
    »Valja Johannowna, sind Sie verrückt?« sagte später Shukow zu ihr, als sie allein in seinem Zimmer saßen und Tee tranken. »Sie loben diesen Todesstall? Sie wünschen sich so etwas in Ottokh? Was ist mit Ihnen los?«
    »Ich habe das Entsetzen in Ihren Augen gesehen,

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