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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er verhaftet worden. Und nachher wird er öffentlich vor Fernsehen und Rundfunk auspacken. Er soll bereit sein, alles zu sagen. Ha! Das ist ein Tritt gegen das Schienbein des Westens! Diese Lumpen!«
    »Hat man schon den Namen des Amerikaners genannt?« fragte Shukow leichthin.
    »Natürlich! Und jetzt werden sie drüben in Amerika sicherlich sehr nervös. Der Kerl heißt Ben Lauritz.«
    Ben! Der kleine Ben, genannt ›Das Eichhörnchen‹, weil er bei den Urwaldübungen immer als erster auf den Bäumen war und klettern konnte wie keiner aus dem Lehrgang. Ben, den man erst gar nicht in die Sonderabteilung nehmen wollte, weil er nur 1,65 Meter groß war, und der dann den Mastersergeant Humphry mit einem Drehschwung so auf den Rücken legte, daß Humphry drei Tage lang nach vorn gebeugt gehen mußte. Ben, der einmal gesagt hatte: »Ich bleibe drei Jahre als Agent in Rußland. Dann leckt mich alle am Arsch. Dann will ich heiraten, übernehme die Erdnußfarm meines Vaters und konzentriere mich auf Lachsfang und Kindermachen.«
    Shukow trank einen Schluck Wein. Er war nach außen hin ganz ruhig, gelassen, unbeteiligt bis auf die Empörung, die ein Russe zeigt, wenn ein amerikanischer Spion entlarvt worden ist. Major Jankow hatte die Schachfiguren aufgestellt und rieb sich die Hände.
    »Ich habe die Revanche, ich fange an. Diesesmal kriege ich Sie, Wassja Grigorjewitsch!«
    »Wann ist die Übertragung?«
    »In ungefähr einer Stunde. Bis dahin habe ich gegen Sie ein Matt erreicht. Wetten? Ich bin in Stimmung. Dieser Erfolg unserer Abwehr! Drehen einen Staragenten der Amerikaner um …«
    Ben und umdrehen? Unmöglich! Man wird ihn mit Drogen vollgepumpt haben, damit er alles sagt, was man von ihm will. Er wird eine Sprechpuppe sein, weiter nichts. In diesem Zustand würde er sogar gestehen, mit Kissinger ein homosexuelles Verhältnis zu haben. Man kann das Unmöglichste aus einem Menschen herausholen, wenn man seinen Willen weggespritzt hat. Nur so kann es sein … aber Ben Lauritz umdrehen? Nie, mein lieber Jankow!
    Aus dem Radio klang weiter Volksmusik vom Baikalsee. Ab und zu wurde sie von einer Sprecherin unterbrochen, die mit melodischer Stimme ankündigte, daß in Kürze das öffentliche Geständnis des amerikanischen Spions übertragen werde. Major Jankow quittierte jede Durchsage mit einem lauten, zufriedenen Grunzen.
    »Jetzt scheißt sich der CIA in die Hosen«, sagte er mitten im Schachspiel.
    »Bestimmt. Damit haben sie nicht gerechnet.«
    »Und dieser Saukerl von Amerikaner wird in Sibirien verschwinden!«
    »Man wird ihn austauschen, nach einer bestimmten Zeit«, sagte Shukow im Plauderton. »Das geht hin und her, Wassili Michailowitsch. Jeder Staat hat ein paar Spione auf Lager, um solche Angelegenheiten elegant zu regeln …«
    »Ist das nicht eine Schweinerei, Wassja Grigorjewitsch? Erschießen sollte man jeden!«
    »Bedenken Sie, daß auf diese Weise auch unsere Leute wieder nach Rußland kommen. Spionage ist wie unser Schachspiel, Jankow. Mal sind Sie matt, mal ich … mal nehmen Sie mir alle Figuren weg, mal ich Ihnen. Und dann bauen wir sie alle wieder auf, und das Spielchen geht weiter. Der Unterschied ist nur, daß der Einsatz nicht wie bei uns zehn Kopeken ist, sondern der Weltfrieden.«
    »Eine verrückte Menschheit, nicht wahr?« Jankow wurde philosophisch, rauchte versonnen, trank einen Schluck Wein, betrachtete das Schachbrett und gab sich der Erkenntnis hin, daß keine Generation nach den Gesetzen der Logik lebt. »Wir zwei können nichts ändern, Wassja Grigorjewitsch«, sagte er endlich.
    »Bestimmt nicht.«
    Die Volksmusik brach ab. Major Jankow lehnte sich zurück und zeigte auf das Radio. »Jetzt geht's los! Wenn man bedenkt, daß die ganze Welt zuhört! Welche Blamage für die Amerikaner!«
    Ein Ansager sprach. Man schalte um nach Moskau, verkündete er. Noch zehn Sekunden bis zur Vorführung des Amerikaners Ben Lauritz in Wolgograd …
    Mach's gut, Ben, dachte Shukow und trank gelassen seinen Wein. Ich höre dir sofort an, ob du voller Drogen bist. Ich kenne deine Stimme, deine Wortwendungen genau. Eichhörnchen, wir sind alle bei dir …
    Radio Moskau. Die Ansage, daß 134 Sender angeschlossen seien. Dann die Umschaltung in den großen Sitzungssaal des Justizpalastes von Wolgograd. Stimmengewirr, das Rasseln der Filmkameras, das Klicken der Fotoreporter. Ben Lauritz war also schon im Saal, stand hinter einer Barriere und schien dumm in die Gegend zu grinsen. Ob er überhaupt wahrnahm,

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