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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihr pulverisiert. Es gab nicht einmal einen Laut, als sie den Boden berührte … sie schwebte wie schwerelos dahin und lag dann vor seinen Füßen, mit offenen Augen, und trotz der Glasigkeit des Todes blieb der goldene Punkt in ihren Pupillen.
    Shukow brauchte nicht viel Zeit, um alles zu ordnen. Er verpackte seinen Sender wieder, wickelte Valja Johannowna in eine der gelben Kunststoffplanen, hängte sich den Reisesack vor die Brust, schob den leblosen Körper der Wuginskaja über seine Schulter und griff nach seinem Koffer.
    An der Tür sicherte er nach allen Seiten. Er brauchte es nicht. Um diese Zeit schlief alles in der Kommandantur, der Flur war leer und dunkel. So leise wie möglich, tappte er mit seinem Gepäck zur Tür, drückte die Klinke mit dem linken Ellenbogen hinunter und trat ins Freie. Über das Lager glitten die Strahlenfinger der Scheinwerfer von den Wachtürmen. Der Militärbereich blieb im Dunkeln.
    Shukow umklammerte mit der Rechten die über seiner Schulter liegende Wuginskaja und trat dann hinaus in den rauschenden Regen. Er rannte nicht … er ging davon wie ein müder Mensch, den nichts zurückhalten darf, seine Arbeit zu tun.
    Nach ein paar Schritten schon war er in Dunkelheit und Regen wand verschwunden.
    Vor sieben Jahren, als man das Straflager außerhalb von Nowo Sosnowka anlegte, hatten die ersten Sträflingskolonnen als erstes eine feste Straße zwischen Lager und Dorf gebaut. Eine gute Straße, tief genug ausgekoffert und mit Felssteinen aufgefüllt, Steine, die in den Brüchen von Hand kleingeschlagen worden waren, unter Fluchen, Stöhnen, Schmerzen, Zusammenbrüchen und Erschöpfungstoden. Es wurde der einzige feste Weg in der ganzen Gegend, wenn im Frühjahr oder im Herbst die Schlammperioden begannen und das Land zu einem Sumpf wurde.
    Über diese Straße rollten die Lastwagen des Lagers und brachten auf Spezialuntersätzen die in der Taiga geschlagenen Baumstämme bis zum Fluß Tjuganja, wo sie zu Flößen zusammengestellt wurden und dann abwärts trieben, in den Fluß Viljuj hinein, der sie wiederum in die Lena, den großen Strom Sibiriens, trug. Dort, an der Mündung des Viljuj in die Lena, bei dem kleinen Ort Aryta, fischte man die Holzflöße ans Ufer, vertäute sie zu langen Kolonnen und zog sie mit starken Flußschleppern bis nach Jakutsk zu den riesigen Verarbeitungsbetrieben.
    Es war unmöglich für Shukow, mit der toten Wuginskaja auf dem Rücken und seinem Gepäck in der Hand abseits der festen Straßen durch den Schlamm zu waten, um den Fluß zu erreichen. Der Fluß war die einzige Möglichkeit, wegzukommen. Schnell wegzukommen, denn wenn am Morgen entdeckt wurde, daß sowohl die Wuginskaja als auch Shukow fehlten, würde Major Jankow sofort eine Suchaktion starten. Nicht aus dem Verdacht heraus, hier sei etwas politisch Ungeheures passiert, sondern lediglich aus Sorge, Valja Johannowna und Wassja Grigorjewitsch hätten in einem Anfall von Liebesrausch trotz des säuischen Wetters noch einen Spaziergang gemacht und könnten sich verlaufen haben. Welch eine andere Erklärung blieb denn übrig? Daß zwei Menschen einfach aus der Kommandantur verschwinden, völlig grundlos, widerspricht jedem Verstand.
    Es blieb also nur die Straße. Shukow erreichte sie, nachdem er einen Bogen um das Postenhaus gemacht hatte, das die Einfahrt zum Militärbereich des Lagers blockierte.
    In dem kleinen Haus aus Bruchsteinen war alles dunkel. Bei diesem Wetter, so sagte man sich sicherlich, ist es verschwendete Kraft, wach am Fenster zu sitzen und in die Nacht zu stieren. Wer sollte kommen, wer gehen, was sollte passieren? Das Land ersoff, der Fluß war ein unübersehbarer gurgelnder See geworden, und wenn man damals das Dorf und das Lager nicht auf eine Art Plateau gebaut hätte, säße man jetzt auf den Dächern oder müßte in den Wäldern oberhalb der Schluchten kampieren. Das Vieh hatten die Bauern von Nowo Sosnowka ja schon hinaufgetrieben. Sie mißtrauten dem Schutzwall gegenüber dem Fluß, und sie mißtrauten vor allem dem Wetter, das in diesem Jahr verrückt spielte.
    Nachdem Shukow die Straße erreicht hatte, schob er die Wuginskaja in ihrer Plane bequemer über seine Schulter, umfaßte die Leiche mit dem rechten Arm, nahm seinen Koffer wieder auf und fragte sich einen Augenblick, ob es nicht besser sei, den Koffer nachher in den Fluß zu werfen. Das Wichtigste, sein Minisender, stak in dem Reisesack aus Leinwand, der vor seiner Brust pendelte. In ihm waren auch einige

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