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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie ab. Übermorgen.« Jakow Petrosowitsch lachte vor sich hin. »Heute und morgen komme ich von Marija nicht runter. Aber übermorgen stehe ich vor dem Hotel. Sagen wir – um sieben Uhr abends?«
    »Um sieben Uhr.«
    »Es wird ein Fest werden.«
    »Davon bin ich überzeugt.«
    Man trennte sich an der Straßenbahn wie alte, gute Freunde. Jakow fuhr mit der Linie 3. Shukow mußte die Linie 1 in die Innenstadt abwarten. Sein Nachbar aus dem Zug rückte an ihn heran.
    »Was hat Jakow gesagt?« fragte er leise.
    »Er holt mich übermorgen vom Hotel ab. Er will mit mir saufen gehen.«
    »Sie tun das doch nicht, Genosse? Es wäre Ihr Tod. Das ist eine Falle.«
    »Das weiß ich.« Shukow lächelte dankend. Übermorgen bin ich längst in Irkutsk, dachte er. Bei der schönen Galina Theofilowna. Ob sie noch in der Parfumerie-Boutique des Hotels ›Sibir‹ arbeitet? Ein mutiges Mädchen. Sitzt jede zweite Nacht unterm Dach des Hotels, in der Abstellkammer für alte Betten, und funkt in die Staaten hinüber. Hier ist TAUBE, TAUBE, TAUBE … und von drüben wispert es zurück: Hier ist SCHNEEFLÖCKCHEN, SCHNEEFLÖCKCHEN, SCHNEEFLÖCKCHEN … Eine blödsinnige Tarnbezeichnung. Idiotische Romantik in einem tödlichen Beruf. Taube und Schneeflöckchen … wer aus der Taiga zurückkommt, tippt sich nur noch an die Stirn und sagt aus vollem Herzen: Arschlöcher!
    »Und wie werden Sie sich schützen?« fragte der Arbeiter. Die Linie 1 kam … die Linie 3 fuhr gerade ab. Jakow Petrosowitsch winkte mit seinen großen, fleischigen Händen, und Shukow winkte zurück. Es sah alles so harmlos aus.
    »Ich nehme einen Freund vom KGB mit …«
    Der Arbeiter schielte Shukow betroffen an. »Sie haben einen Freund beim KGB?«
    »Warum nicht?«
    »Einen guten Aufenthalt in Jakutsk, Genosse.« Der Arbeiter stieg in die Straßenbahn, setzte sich Shukow entgegengesetzt an das andere Ende und sprach kein Wort mehr.
    KGB … drei Buchstaben, die einem Russen mehr in die Knochen fahren als siebzig Grad Frost.
    Ohne weitere Schwierigkeiten erreichte Shukow das Hotel ›Lena‹, den neuen Wohnpalast mit der von hohen Säulen getragenen Eingangshalle. Der Portier erkannte ihn sofort wieder. Heja, da ist ja der Genosse, der die wilde Wuginskaja gezähmt hatte!
    Mit einem versteckten Klingelknopf gab der Portier Alarm. Der Hoteldirektor stürzte aus dem Büro und begrüßte Shukow wie ein Mitglied des Politbüros. Von der Rezeption winkten ihm die anderen Genossen zu. Welche Freude! Der Dompteur der Wuginskaja ist wieder da!
    »Ihr Zimmer ist gerade frei geworden«, sagte der Hoteldirektor. »Welch ein schöner Zufall, nicht wahr? Kommt das Gepäck noch nach? Darf man fragen, wie es der Genossin Ärztin geht?«
    »Ich habe kein Gepäck mehr.« Shukow klopfte auf seinen schmutzigen Reisesack. »Das ist alles. Ich komme aus dem Überschwemmungsgebiet.«
    »Und die Genossin Wuginskaja?«
    »Konnte gerade noch weiterfahren bis Werchokrassnoje … Ich blieb einen Tag zurück, und das war mein Untergang.«
    »Es muß furchtbar da oben aussehen. Das Fernsehen brachte Bilder.« Der Hoteldirektor gab einen versteckten Wink. Ein Page rannte heran und nahm Shukow den dreckigen Sack ab. Er trug ihn weg zum Lift wie eine goldene Ikone. »Was kann ich für Sie tun, Genosse? Haben Sie einen großen Wunsch?«
    »Ja –«, sagte Shukow und blickte auf den Lift, dessen Tür sich einladend öffnete. »Ich möchte nur schlafen … nichts als schlafen …«
    Für einen Russen ist es immer imposant, ein amtliches Papier mit vielen Unterschriften und Stempeln zu betrachten. Es beweist ihm, wie gründlich er verwaltet wird, wer sich alles um ihn kümmert, wie vollendet der Beamtenapparat und wie wohlorganisiert das Leben ist.
    Shukow erlebte das Wunder eines mit Stempeln übersäten Schreibens, das ihn sofort zurückbeorderte in die Zentrale nach Irkutsk, bereits im Buchungsbüro der Aeroflot. Er hatte in das vorbereitete Papier nur das Abflugdatum eingesetzt, alles andere war von den Spezialisten des CIA bis zur Vollendung gefälscht worden.
    Das hübsche Mädchen, das hinter der Theke mit spitzen Fingern das Schreiben in Empfang nahm, als sei es eine hauchdünne Glasplatte, sah Shukow zunächst bedauernd an. Wie immer – Shukow kannte das nun schon – verfehlte sein träumerischer Blick nicht seine Wirkung; das Mädchen lächelte süß und atmete tiefer ein, um seine etwas sackartige Bluse mehr zu füllen.
    »Die Flüge sind auf acht Tage ausgebucht, Genosse«, sagte sie.

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