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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tagesabschluß geschah indes tausend Werst nordöstlich in Nowo Sosnowka. Dort erhängte sich an diesem Abend der Lagerarzt Dr. Fedjunin in seiner Zelle mit der in Streifen zerrissenen Decke. Er sah keinen anderen Ausweg mehr, nachdem Major Jankow ihm mit tödlicher Logik nachgewiesen hatte, daß nur Fedjunin der Mörder von Valja Johannowna Wuginskaja und Wassja Grigorjewitsch Shukow sein konnte. Das ewige Brüllen: »Ich bin es nicht gewesen!« hatte keine Beweiskraft mehr. Und mehr konnte Fedjunin auch nicht sagen. Was sind Worte gegen die Tatsache, daß aus einem Straflager zwei Gäste spurlos verschwinden und Eifersucht schon immer ein gutes Mordmotiv war?
    Gegen halb eins in der Nacht wurde Shukow geweckt. Ein glatter, warmer nackter Körper schob sich neben ihn unter die Decke und umklammerte ihn sofort. Er wollte etwas sagen, aber ein heißer Atem wischte über sein Gesicht.
    »Halt bloß den Mund!« flüsterte eine geradezu entstellte Stimme. »Wenn du ein Wort sagst, bringe ich dich um!«
    Galina Theofilowna war eine stumme Geliebte. Wenn Dunja gebissen und gekratzt und die Wuginskaja wie eine Wildkatze getobt hatte … hier hörte Shukow außer einem seufzenden Atem nichts. Es gab auch kein Licht … in völliger Dunkelheit verströmte Galina lautlose Zärtlichkeit. Nur zum Abschied sagte sie ganz leise: »Danke, du Scheusal!«, schlüpfte aus dem Bett und lief aus dem Zimmer.
    Shukow sprang hinterher, drehte das Licht an, aber er hörte nur noch, wie draußen auf dem Flur irgendwo eine Tür zuklappte.
    Auf dem Rauchtisch lag ein Bündel. Es war eine sowjetische Uniform. Darauf die nötigen Papiere. Unter dem Tisch standen blankgeputzte Stiefel.
    Major Shukow, die Mongolei wartet auf Sie …
    Am Morgen ging Shukow noch einmal in die Parfümerie-Boutique, um sich von Galina zu verabschieden. Aber sie war nicht da. Eine andere kleine jakutische Verkäuferin erzählte mit zwitschernder Stimme, Galina habe sich krank gemeldet. Shukow unterdrückte die Frage, wo sie wohne. Jetzt nicht mehr auffallen, das war das erste Gebot. Er drückte seinen prallen Reisesack unter die Achsel – er enthielt die komplette sowjetische Uniform –, ließ Galina die besten Genesungswünsche bestellen, bezahlte an der Rezeption seine Hotelrechnung und fuhr dann gleich mit einem Taxi zum Flughafen.
    Dort ging er zur Toilette, zog sich um und erschien wieder als Offizier, nachdem er lange genug gewartet hatte, bis die Genossen, die rechts und links neben ihm die Kabinen belegt hatten, wieder verschwunden waren. Erst in der Flughalle wurde ihm bewußt, daß bei aller Perfektion der Vorbereitung doch ein Fehler unterlaufen war. Kein KGB-Offizier geht mit einem so dreckigen Leinensack auf Reisen!
    Er lehnte dieses Überbleibsel der Taiga gegen eine Säule, ging hinüber zu einem Shop und kaufte einen einfachen, aber stabilen Koffer aus Kunstleder, groß genug, den Reisesack aufzunehmen. Die Verkäuferin beachtete Shukow kaum. Er war ein Kunde wie alle anderen. Im Laden war Hochbetrieb … hier in Irkutsk konnte man viele Dinge billiger kaufen als in anderen Städten. Vor allem Pelze. Und der Winter stand zum Angriff bereit. Der Wind, der über den Baikalsee strich, hatte schon den Frost in sich.
    Shukow packte den alten Reisesack in den neuen Koffer, ließ sich einchecken und bestieg dann das Flugzeug nach Ulan-Ude. Es füllte sich mit burjatischen Reisenden, die meisten schon in Steppjacken und Fellmützen oder bunt bestickten Käppis mit Ohrenklappen. Shukow war der einzige Weißhäutige … er wurde von dem Steward besonders herzlich begrüßt, bekam einen Platz gleich am Eingang und zur Begrüßung eine Tasse grünen Tee.
    »In der Maschine sitzt einer vom KGB!« meldete der Steward der Crew im Cockpit. »Er sieht harmlos aus, aber wenn man in seine Augen blickt … da steckt was dahinter!«
    Es war nur ein kurzer Flug. Vor dem Terminal-Gebäude von Ulan-Ude betrat Shukow zum erstenmal eine fremde Welt. Hier war Asien, hier war die Mongolei, auch wenn das alles Rußland hieß. Autos und Omnibusse warteten auf dem großen Parkplatz, aber über die Straße, die zur eigentlichen Stadt führte, trotteten auch lange Reihen von Lastkamelen und rumpelten Holzkarren mit Ochsen oder Jaks im Joch. Ein herrlich blauer, wolkenloser, aber kalter Himmel überspannte das Land.
    Ein kleiner, krummbeiniger Burjate, dem man ansah, daß er auf dem Rücken eines der halbhohen gelben Pferde besser zurecht kam als hinter einem Lenkrad, tippte an seine

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