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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mittag hatte Bob genug damit zu tun, sich überall bei den maßgebenden Leuten vorzustellen und seinen Spruch herzusagen, daß der CIA ein Auge auf Los Alamos geworfen hatte. Er tat das bewußt. Ist einer darunter, der für zwei Seiten arbeitet, spekulierte er, dann wird er sofort eine Warnung losschicken. Unsicherheit aber ist eine schlechte Basis der Arbeit.
    »Wie wäre es mit einem guten Mittagessen, Major?« fragte der Leiter der Abteilung V den unerwartet eingetroffenen Gast. »Wir haben eine hervorragende Kantine hier. Und in der Kantine noch eine Überraschung, die ich Ihnen nicht verrate. Das müssen Sie als Fachmann selbst sehen und begutachten.«
    Bob nickte. Er verstand nicht, warum die anderen Herren verhalten grinsten. Sie verließen gemeinsam den Labortrakt, gingen über den breiten Hof und betraten das flache Gebäude der Kantine II. Stan Wolter, den man bereits angerufen hatte, kam ihnen entgegen und begrüßte Bob mit einem freundlichen: »Hallo, Major!« Man sah ihm nicht an, wie sehr ihm der Tod Gulbrannsons im Magen lag. Er allein wußte, auf welche Jagd der Tote in der vergangenen Nacht ausgezogen war. Daß Norma ihm den Schädel eingeschlagen hatte, hielt er für ausgeschlossen. Gulbrannson mußte ermordet worden sein, bevor er auf Norma stieß. Auf jeden Fall hielt Wolter es für das beste, keinen Ton davon zu sagen.
    »Unsere Kantine II«, sagte der Leiter der Abteilung V mit sichtbarem Stolz. Er machte dabei eine weite Handbewegung. »Und dort, Major, hinter der Milchbar, das Schönste, was Los Alamos zu bieten hat!«
    Bob Miller zuckte zusammen. Das Wort Milchbar schlug ihm in den Nacken wie ein Hammer. Er drehte sich langsam zur Seite und holte ganz tief Luft.
    Im gleichen Moment tauchte hinter der verchromten Zapfsäule ein Kopf mit langen schwarzen Haaren auf und stellte einen Milchshake auf die Theke. Dann hob sich der Kopf. Große schwarze Augen sahen zu den neuen Gästen hinüber.
    Ihr Blicke trafen sich in der gleichen Sekunde, in der ihr Herzschlag aussetzte. Es war eine lautlose Explosion. Himmel und Erde zerbarsten, und keiner um sie herum merkte es.
    Norma –
    Bob –
    Sie standen, zur Leblosigkeit erstarrt, und blickten sich an.
    Ich sterbe, dachte sie. O Himmel, ich sterbe! Ich sterbe! Bob, Bob, halt mich fest … ich sterbe …
    »Mögen Sie Milch, Major?« fragte der Leiter der Abteilung V hinter Millers Rücken.
    »Ja …« Bobs Stimme klang wie abgeschabt. »Eine … eine Erdbeermilch …«
    Er brach ab. Es war unmöglich, noch einen Laut von sich zu geben.
    Er sah Norma an, und sie sah ihn an, und er hatte das Gefühl, aus hundert Wunden zu bluten.
    Rußland war in Los Alamos –
    Eine Erdbeermilch ist ein köstliches Gesöff, Sie können es mir glauben, auch wenn Sie sonst Whisky, Kognak oder andere hochprozentige Sachen in Ihr Herz geschlossen haben. Eine eisgekühlte, etwas schaumig geschlagene Milch, zartrot durch den Erdbeersaft, das ist bei 35 Grad Hitze im Schatten eine belebende Spritze, die durch den ganzen Körper zuckt. Die meisten Milchbars verwenden für den Erdbeergeschmack einen Sirup aus künstlichem Aroma … Norma Taylor – oder vielmehr Stan Wolter, der Pächter der Kantine von Los Alamos – legte Wert auf Echtheit und Qualität und verarbeitete nur beste Rohstoffe, also richtige ausgequetschte Erdbeeren. Außerdem waren es keine 35 Grad Hitze in der Kantine, denn die Klimaanlage summte leise und verbreitete eine angenehme Temperatur. Trotzdem war es Bob Miller, als läge er in glühendem Wüstensand, und die Erdbeermilch schmeckte wie ausgepreßte Galle.
    Der Leiter der Abteilung V, wie überhaupt die gesamte Begleitung, die um Bob Miller herum saß, verbreitete laute Fröhlichkeit, vor allem, als man mit verstecktem Grinsen beobachtete, daß Norma Taylor, genannt ›Die Eiserne‹, auf Bob einen so tiefen Eindruck gemacht haben mußte, daß er stumm und mit verhangenen Träumeraugen auf seinem Plastikstuhl klebte und die Kunststoffplatte des runden Tisches anstarrte.
    Norma servierte die Milch, wortlos, mit ruhiger Hand. Bob sah diese Hand an, von der er jede Pore kannte, jedes der kleinen, schmalen Gelenke, jeden schlanken Finger, jeden Fingernagel, die zu Krallen werden konnten und ihm die Haut aufrissen, wenn Norma in ihrer Leidenschaft explodierte und im Augenblick der letzten Ekstase nicht mehr wußte, was sie tat.
    »Danke«, sagte Bob heiser, als Normas Hand aus seinem Blickfeld verschwand. Er sah nicht hoch, aber er spürte, wie damals in

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