Das Doppelspiel
Frazertown, daß Normas Blick in seinem Nacken brannte. »Die Milch sieht gut aus. Wo haben Sie das gelernt, Norma?«
Sie antwortete nicht, stellte die anderen Gläser auf den Tisch und ging schnell zurück hinter den chromblitzenden Tresen. Eine Stahlburg, hinter der sie sich verschanzte. Dort spülte sie die gebrauchten Gläser, warf mit einem Ruck ihr langes schwarzes Haar über ihr Gesicht und versteckte damit jede Regung, die durch ihre Muskeln zuckte.
Bob, jetzt genügt ein Wort von dir, und mein Leben ist zu Ende. Auch ich habe eine Giftkapsel bei mir, in der Falte zwischen den Brüsten liegt sie, in einer neckischen Blumenrosette des Büstenhalters. Es wäre ein Griff von einer Sekunde. Nur ein Wort von dir, Bob!
»Sie sind nicht ihr Typ, Major«, lachte der Leiter der Abteilung V und trank seine Milch. »Wir hätten gewettet, daß Norma wenigstens Ihnen eine Antwort gibt. Aber nachdem sie sogar Mitglied der Frauenliga geworden ist –«
»Und warum behaltet ihr sie hier, wenn sie so unhöflich ist?« fragte Bob. Der erste Schluck Milch war genug gewesen … er konnte einfach nicht weitertrinken.
»Kann man sich von so einem Anblick trennen?« Ein junger Oberleutnant, der stark verdünnten Whisky trank, reichte Zigaretten herum. »Norma ist interessanter als ein Pferderennen. Wenn Sie wüßten, Major, wie viele hohe Wetten schon darauf abgeschlossen wurden, wer zuerst die Festung Norma knackt.«
»Ich finde das geschmacklos.« Bob Miller schob sein Milchglas weg und blickte zu Norma hinüber. Ihr Kopf war nur als wilder Haarberg sichtbar, zum Teil verdeckt durch die Zapfsäulen der Theke.
»Was hat Los Alamos schon zu bieten, Bob?« Der Leiter der Abteilung V schabte die Füße aneinander. »Draußen glühende Hitze, um uns herum kahle Berge, in der Stadt ein paar Kinos und Bars, und sonst nur die Arbeit in den Werken. Ruhmreich ist's, fürs Vaterland zu arbeiten … in Wahrheit ist alles eine große Scheiße. Man kommt vor Langeweile um. So makaber es klingt – aber der Mord an Hendrik Gulbrannson bringt etwas Schwung in die Bude. Und nun sind Sie da.«
»An mir werden Sie wenig Freude haben, Sir.« Bob stand abrupt auf. »Eine Frage, meine Herren. Sie kommen sich hier in Los Alamos so sicher vor wie in Fort Knox, nicht wahr?«
»Das kann man getrost sagen. Unsere Sicherheitsvorkehrungen sind vollkommen.«
»Ihr Glaube an die Perfektion sollte heiliggesprochen werden.« Die anderen Herren sahen Bob Miller betroffen an und erhoben sich ebenfalls von ihren Plastikstühlen. »Es gibt keine Perfektion, auch wenn wir Amerikaner so stolz darauf sind, Technik und Menschen miteinander verschweißt zu haben.« Er sah seine Begleitung der Reihe nach kurz an und lächelte sein verfluchtes, verträumtes, jungenhaftes Lächeln, das jedesmal täuschte und zu falschen Schlüssen Anlaß gab. »Wie lange braucht man, um eine Panzertür aufzuschweißen?«
Die Techniker sahen sich betroffen an. »Wie kann man das berechnen, Major?« antwortete einer. »Erstens kommt niemand durch das Signalsystem an die Tür heran, zweitens benötigt man dazu eine solche Spezialausrüstung, und drittens –«
»Ist Norma Taylor eine Panzertür?«
»Die dickste!« sagte der Leiter der Abteilung V aus voller Brust.
»Dann passen Sie mal auf, wie dünn unsere Perfektion ist!«
Bob Miller löste sich aus dem Kreis seiner Begleiter und ging mit schnellen Schritten hinüber zu der blitzenden Theke. Normas Kopf schnellte hoch, die schwarzen Haare flogen zur Seite … in ihren weiten, dunklen Augen vermischte sich Entsetzen, Fragen und Liebe.
»Er ist übergeschnappt«, flüsterte ein Offizier. »Diese Blamage könnte er sich sparen.«
Bob blieb an der Theke stehen und blickte auf Normas Hand, die langsam von der Taille über ihre Brüste glitt und auf dem tiefen Ausschnitt liegenblieb. Daumen und Zeigefinger griffen – unsichtbar für die anderen – in das Mittelstück des Büstenhalters. Ihre Mundwinkel zitterten … es war die einzige Regung in dem sonst so maskenhaften, faszinierend schönen Gesicht.
»Laß das!« sagte Bob leise durch die Zähne, nur für Norma hörbar. »Der Tod ist keine Lösung. Du bekämst sie außerdem nie in den Mund. Da bin ich schneller als du.« Und laut fuhr er fort: »Ist es nötig, Norma, daß Sie den herrlichen Anblick mit den Händen verdecken? Blicken Sie mich nicht an, als ob Sie mich fressen wollten. Das schreckt mich nicht ab. Ich stelle es mir im Gegenteil grandios vor, von Ihnen im
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