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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Miller legte den Zeigefinger auf die Lippen und ging auf Zehenspitzen im Zimmer herum. Er blickte in den Schirm der Stehlampe, neben das Bett, unter das Bett, in den Blumenstrauß, hinter die beiden Bilder – bunte Fotodrucke in Holzrahmen – und untersuchte alle Türrahmen. Erst nach dieser Inspektion nickte er. Norma war lautlos neben der Dielentür an der Wand stehengeblieben. Man brauchte ihr nicht zu erklären, was Bob suchte.
    »Nichts«, sagte er.
    »Unter der Tapete –«, flüsterte sie.
    »Ich kann nicht das ganze Zimmer aufreißen. Komm her!« Er zog Norma mitten in den Raum, sie blickten sich durch die Schrankspiegel an und lächelten sich zu. »Liebe Leute«, sagte Bob Miller laut. »Wenn ihr irgendwo eure Wanzen versteckt habt, dann sollt ihr jetzt wissen, daß Norma und ich uns lieben, daß wir heiraten werden, gleich einen Cocktail trinken, dann eine Flasche Sekt und anschließend im Bett das tun, was ihr geilen Hunde an den Tonbändern auch so brennend gern mit Norma getan hättet. Daß ihr jetzt zuhört, stört mich nicht. Aber wenn euch vom Zuhören die Röhre platzt, ist's allein eure Schuld! Norma, zieh dich schnell aus!«
    Sie starrte ihn an und schüttelte den Kopf. »Nein!« sagte sie ebenso laut. »Das mache ich nicht mit. Ich bin keine Hure! Wenn an den Tonbändern Gentlemen sitzen, dann stellen sie jetzt ihre Geräte ab. Oder ich schlafe im Sessel.«
    »Wer da mithört, sind keine Gentlemen, Norma.« Bob Miller stampfte im Zimmer umher und tastete mit der flachen Hand die Wände ab. Wenn man tatsächlich Mikrofone eingebaut hatte, waren Meister ihres Fachs am Werk gewesen. »Liebt ihr Radiomusik, Boys?« fragte Bob gegen die Wände. »Ein alter Gegentrick, aber ich nehme an, den habt ihr bereits einkalkuliert. Wie wär's, wenn wir im Auto übernachten? Kinder, ihr könnt doch einem Bob Miller nicht mit so idiotischen Sachen kommen.«
    Er ging zur Bar, klappte sie auf und holte Mixbecher, Eisbehälter und einige Flaschen hervor. Langsam, katzengleich, bewegte sich Norma durch das Zimmer und setzte sich in einen der Sessel.
    »Ich möchte weg von hier, Bob«, sagte sie. »Bitte –«
    »Genau das habe ich eben auch gedacht. Aber erst saufen wir uns einen kleinen Hirnwirbel an. Kennst du einen ›Marmon-Cocktail‹? Leute, herhören: ein Drittel Kirschwasser, ein Drittel Cherry Brandy, ein Drittel französischer Vermouth, über Eis schütten und mit einer Kirsche garnieren. Nach zwei Gläschen fliegen die Schlüpfer wie Fledermäuse durchs Zimmer. Aber das hört ihr nicht mehr, ihr Mikrofon-Onanisten. Was ich euch zu sagen habe, das hört ihr erst morgen –«
    Sie tranken jeder drei Gläser von dem ›Marmon-Cocktail‹, gaben dann dem enttäuschten Jerry den Schlüssel wieder ab und fuhren zurück in die kahlen, kalten Wüstenberge.
    Dort stellten sie den Wagen in einer Seitenschlucht ab, krochen auf den Hintersitzen zusammen und wärmten sich gegenseitig wieder unter der schäbigen Decke.
    »Morgen miete ich für uns ein Haus«, sagte Bob und legte beide Hände über Normas Brüste. »Und du meldest Moskau, daß es keine Dunja Andrejewna mehr gibt. Du bist Norma Taylor … Ich will es nie gewußt haben, daß du eine Russin bist.«
    »Ich werde immer eine Russin bleiben, Bob.« Sie hielt seine über ihre Brüste kreisenden Hände fest und sah ihn groß an. Die winzige Deckenlampe, die sie im Fond des Wagens eingeschaltet hatten, warf kleine Punkte in ihre schwarzen Pupillen. »Könntest du Amerika vergessen?«
    »Ja. Es gibt wichtigere Dinge.«
    »Das unterscheidet euch von den Sowjets. Ein Russe wird sein Vaterland nie vergessen können, selbst wenn die Liebe so grenzenlos ist wie bei uns. Ich werde immer denken: Unser Glück ist so groß, so unendlich wie die Taiga, wie der Himmel über Sibirien, wie die Steppen Kasakstans. Aus dieser Unendlichkeit bin ich zu dir gekommen, um dir das unendlich große Glück zu bringen. Wassjuschka, das ist Rußland. Du mußt es spüren …«
    »Ich spüre es.« Er schob den Arm unter ihre Hüften und zog sie noch enger an sich heran. »Ich spüre es um so mehr, als ich in Sibirien bald verreckt wäre –«
    Ihr Körper schnellte zusammen. Ihre Stimme wurde plötzlich heller. »Wassja, was ist geschehen? Erzähle! Oh, ich habe dich nie danach gefragt. Nur an mich habe ich gedacht. Was war in Sibirien?«
    »Später, Dunjenka, später.« Er rückte die Decke zurecht und knipste die kleine Deckenlampe aus. Über den kahlen Wüstenbergen lag bleich ein

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