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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Taschen hatte er russische Streichhölzer, eine Schachtel Papyrossi und ein Taschenmesser, hergestellt im Eisenkombinat Kasan. Nur die Gelatinekapsel mit Gift war amerikanischen Ursprungs; sie stak in einem hohlen Uniformknopf, der dritte vom Kragen her gezählt. Mit einem Griff abzureißen und in den Mund zu schieben. So schnell, daß niemand reagieren konnte.
    »Es ist alles fertig, Genosse Major«, sagte der CIA-Mann in der Kleidung eines türkischen Fischers und grinste breit. »Wie fühlst du dich, Wassja Grigorjewitsch?«
    »Ich bin neugierig, weiter nichts.«
    »Dann mach's gut, Bob!« Der CIA-Mann stieß Miller in die Rippen. »Kein flaues Gefühl im Magen?«
    »Nein.«
    »Was du tust, hat noch keiner gewagt.«
    »Einmal muß es getan werden, Fred.« Miller schwang sich über die Reling und stieg in die schmale Strickleiter. Unter ihm dümpelte der Kahn auf den trägen Wellen. Das Schwarze Meer zeigte sich von seiner sanftesten Seite. »Wenn alles gutgeht, melde ich mich in zwei Tagen aus Winniza. Die nächste Meldung dann aus der verbotenen Stadt.«
    »Gott mit dir, Bob!«
    »Der wird mir kaum helfen!« Miller nickte noch einmal und kletterte dann die Strickleiter hinunter ins Boot. Mit drei Zügen am Starterseil ließ er den kleinen Außenbordmotor an und tuckerte ziemlich schnell von dem Fischerkahn weg in die diffuse, von den Sternen glitzernd durchleuchtete Dunkelheit. Der CIA-Mann und der türkische Kapitän blickten ihm nach, bis das schwarze, flache Boot in den Tälern der Wellen endgültig verschwand.
    »Kommt er wieder?« fragte der Türke leise.
    »Nein.« Der CIA-Mann steckte sich eine Zigarette an. Er mußte das Streichholz dreimal anstreichen, so zitterten seine Hände. »Er hat keine Chance. Einen Scheißberuf haben wir. Einen Scheißberuf –«
    An einer einsamen Stelle zwischen Alexandrowka und der Dnjestr-Bucht, einem schönen Sandstrand, zu dem am Sonntag bestimmt viele Genossen aus Odessa hinausfuhren, denn landeinwärts standen, wie Soldaten ausgerichtet, buntbemalte, hölzerne Badekabinen, betrat Bob Miller, der jetzt auch für uns Major Wassja Grigorjewitsch Shukow heißt, russischen Boden. Ohne Eile, aber präzise wie ein Computer, begann er mit dem ersten Teil seiner Aufgabe: Er drehte den Kahn ›Sokol‹ wieder seewärts, warf den Motor an, hieb in den Bootsboden drei Löcher und ließ den ›Falken‹ ins Meer hinausschießen. Dort, nach dreihundert Metern etwa, versank der Kahn, in die Tiefe gezogen von dem Außenborder.
    Dann nahm Wassja Grigorjewitsch Shukow seinen Offizierskoffer in die Hand und stapfte durch den Sand landeinwärts. Er wußte genau, wo er war, er hatte die Karte im Kopf: Drei Kilometer südwestlich war die Bahnlinie Sarata-Odessa, eine Nebenlinie, die hauptsächlich dem Arbeitertransport diente und sonntags den Ausflüglern zur Küste. Ganz in der Nähe lag der kleine Ort Bilaki, der von einem Weingut lebte, das einen herrlichen goldbraunen Süßwein herstellte. Trotzdem hielt der Zug in Bilaki nur bei Bedarf. Die meisten Reisenden fuhren mit einem Bus bis Akkarsha, oder, wenn sie schon in Akkarsha waren, gleich weiter über die schöne, breite Straße nach Odessa. Eine Fahrt durch Palmenhaine und Gärten, Obstplantagen und Olivenwälder. Ein Stück Erde, das Gott geküßt hat, wie die stolzen Schwarzmeer-Russen sagen.
    Shukow ging ohne Hast die drei Kilometer, bis er die ersten Häuser von Bilaki sah. Niemand begegnete ihm bis auf vier streunende Hunde, die ja nicht fragen konnten, wieso ein Major der sowjetischen Armee nachts allein mit einem Koffer durch das Land wandert.
    Wassja Grigorjewitsch ruhte sich im Schutz einer Hibiskusbuschgruppe aus, bis die Morgendämmerung den Himmel mit einem unbeschreiblichen samtenen Rot färbte, beobachtete durch die dichten Zweige seines Versteckes, wie drei Lastwagen mit Landarbeitern der Sowchose ›Winadjelije Lenin‹ – Weinbau Lenin – zu den Weinplantagen ratterten, nahm dann seinen Koffer und ging hochaufgerichtet und unnahbar, wie ein Major der Roten Armee sein soll, die Hauptstraße hinunter zu dem kleinen, gelbgestrichenen Bahnhof.
    Sein Erscheinen löste eine geradezu wilde Hektik aus.
    Vitali Polikarpowitsch Baidukjew, der Bahnhofsvorsteher, der einmal wöchentlich insgeheim allen Heiligen inbrünstig dankte, daß das Schicksal es mit ihm so gut gemeint und ihm diese ruhige Stellung verschafft hatte, tunkte gerade einen Butterkuchen in seine große Tasse Tee, als er den Major die kleine Bahnhofshalle

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