Das Doppelspiel
Sekunde auf ihm haften. Er konnte voll in ihre Augen sehen, in diese beiden schwarzen, mit einem Goldschimmer überzogenen, ein ganz klein wenig geschlitzten Augen, wie er jetzt erst feststellte, und was sein Blut noch mehr in Wallung brachte. Nachts müssen sie phosphoreszieren wie bei einem Panther, dachte er. Es sind Raubtieraugen, denen man verfällt. In der Ekstase werden sie sich weiten und das ganze zuckende Gesicht beherrschen. Himmel, welch eine Frau!
»Wieso?« wiederholte sie und sah ihn weiter an. Er hatte das Gefühl, ihr Blick brenne Löcher in seine Gesichtshaut.
»Ich bin einsam ohne Sie, Norma …«, sagte er stockend.
»Merken Sie eigentlich nicht, welch ein blöder Hund Sie sind, John?« stellte sie grob fest. »Der schöne John von Frazertown … haben Sie das noch nicht gehört?«
»Nein!« sagte er betroffen.
»Die anderen Mädchen reden von nichts anderem und fressen Sie mit den Blicken auf. Haben Sie nicht bemerkt, daß wir, seit Sie bei Billy sind, dreißig Prozent mehr weibliche Kundschaft haben?«
»Nein.«
»Natürlich nicht. Sie sehen ja nur Ihre Hamburger –«
»Und Sie, Norma.«
»Dann suchen Sie sich eine andere Blickrichtung! Sie brauchen nur Ihr Hemd aufzuknöpfen, und zehn Weiber hängen an Ihnen!«
»Warum reden Sie so, Norma?« sagte Barryl sanft. »Sie sind doch gar nicht so. Und das mit der Frauenliga zur Bekämpfung des Sexualobjektes Weib … das ist doch Käse! Sie haben doch auch ein Herz, Norma. Warum weisen Sie mich dauernd ab?«
Sie antwortete nicht, sondern erhob sich plötzlich, kletterte in den Catcherring und tippte dem dicksten und größten Fleischkloß auf die Schulter. Der Koloß drehte sich um, grinste das kleine, schwarzgelockte Püppchen an und starrte ihr provozierend auf die geschwellte Bluse. »Nicht vorher, Baby«, sagte er in breitem Texanisch und rieb die riesigen Hände aneinander. »Wenn's genehm ist, machen wir's als Nachtisch …«
Und dann geschah etwas, was John Barryl erst voll begriff, als es geschehen war, so schnell war alles, was dort oben im Catcherring abrollte.
Norma Taylor trat einen Schritt vor und streckte beide Arme aus. Dann hörte man ein fettes Klatschen, wie von Zauberhand getragen, hob sich der Fleischberg vom Boden ab, machte eine halbe Drehung in der Luft und krachte darauf mit der Vorderseite voll auf die Matte. Dort blieb er liegen, nicht weil er betäubt war, sondern gelähmt vom maßlosen Erstaunen.
Norma kletterte aus dem Ring und bedachte den fassungslosen John Barryl mit einem angedeuteten Lächeln.
»Darum, John Barryl, gibt es nichts mit uns«, sagte sie ruhig. »Ich würde Ihnen alle Knochen brechen …«
Noch am gleichen Abend meldete sich John im Fortgeschrittenenlehrgang für Karate an. Norma erfuhr es sofort vom Kursleiter und lächelte still vor sich hin.
Man sieht: Die Liebe in Frazertown hatte ihre Probleme.
In der vierten Nacht war das Fischerboot der russischen Schwarzmeer-Küste so nahe, daß die sowjetische Radarüberwachung es deutlich im Bild haben mußte.
Aber niemand störte sie. Sie ankerten außerhalb der Dreimeilenzone, warfen ein paar Grundnetze aus und wußten, daß man sie längst als harmlose türkische Fischer identifiziert hatte. In der Abenddämmerung hatten zwei sowjetische Schnellboote sie umkreist, genau beobachtet, anscheinend auch fotografiert, und waren dann wieder in Richtung Odessa abgedreht. Es kam selten vor, daß türkische Fischer hier ihre Netze auslegten, meist suchten sie ihren Fang in der Nähe der eigenen Küste, schon wegen des Transportes, denn die wenigsten Boote hatten Kühlanlagen an Bord. Drei Tage Herumliegen toter Fische in glühender Hitze aber erzeugen einen ganz schönen Gestank und verderben den ganzen Fang.
Gegen zwei Uhr morgens, bei einem sternenklaren Himmel, der Bob Miller zum erstenmal mißfiel, ließ man das kleine, flache, schwarzgestrichene Boot zu Wasser, an dessen Kiel man in russischer Schrift das Wort ›Sokol‹ – Falke – gemalt hatte. Ein kleiner Außenbordmotor, ebenfalls sowjetischer Bauart, wurde hinten festgeklammert, und ein sowjetischer Offizierskoffer vervollständigte die Ausrüstung des Kahns.
Bob Miller stand ruhig an der Reling und wartete, bis alles in Ordnung war. Er trug die Uniform eines sowjetischen Majors und hatte noch einmal die Checkliste bis in die kleinste Einzelheit durchgespielt. Der Haarschnitt stimmte, sogar das Rasierwasser, das an seiner Wange duftete, stammte aus einer Kosmetikfabrik in Tiflis. In
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