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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schwarze Meer. Möwen umkreisten ihn, weil sie glaubten, es sei wirklich ein Fischerkahn und damit für sie ein gedeckter Tisch.
    Um die gleiche Zeit hatte in Frazertown John Barryl seine letzten Hamburger kunstvoll gefüllt und verkauft. Billy Rampler schloß das Lokal, drehte die riesige Kunststoffreklame auf seinem Dach auf Nachtlicht, tippte an die Stirn, sagte: »Ich hab' die Schnauze voll, ich hau mich hin!« und verschwand. John säuberte seinen Arbeitstisch und ging dann hinaus in das Lokal. Dort wienerte Norma Taylor wieder ihre Milchzapfhähne. Sauberkeit und Hygiene waren bei Billy Rampler das halbe Leben. Seine Furcht vor Bakterien und Bazillen war schon pathologisch … auch hierin ein typischer Amerikaner. John bewunderte im stillen diese vollkommene Verwandlung eines Menschen. Bei Norma schien es nicht anders zu sein.
    Er lehnte sich gegen die Theke, sah ihr eine Zeitlang zu und klopfte dann mit dem Fingerknöchel auf die Edelstahlplatte. Norma blickte etwas schnippisch zu ihm hin.
    »Was ist?« fragte sie.
    »Ich habe eine Idee –«, setzte John Barryl an.
    »Schon faul!«
    »Wir könnten noch zu Hillmoore gehen und einen Cocktail trinken. Was halten Sie davon?«
    »Nichts!« Sie legte das Tuch weg und strich ihre Bluse gerade. Was in der Bluse stak, war beachtlich.
    »Und warum, Norma?«
    »Wenn ich sehe, wie Sie meinen Busen anstarren, weiß ich, was Sie wollen. Alle Männer wollen das gleiche … und das mag ich nicht! Hat Ihnen noch niemand gesagt, daß ich in der Liga für Frauenrechte bin?«
    »Nein. Himmel, was machen Sie denn da?«
    »Ich kämpfe dagegen, daß man uns Frauen nur als Lustobjekt betrachtet!«
    »Und das befriedigt Sie?«
    »Affe!« sagte Norma Taylor grob, warf John den Lappen an den Kopf und verließ das Lokal. Er lachte laut, setzte sich auf die Theke und nahm sich vor, das Urweibliche in Norma Taylor wieder hervorzuholen.
    Zur gleichen Stunde saß Bob Miller auf seiner Taurolle, lehnte sich gegen die Wand des Ruderhauses und schlief fest. Der warme Wind des Meeres zerzauste sein Haar und blähte das Hemd über seiner Brust.
    Man soll nicht glauben, daß John Barryls Leben in Frazertown von nun an nur noch daraus bestand, Hamburger zu fabrizieren, mit Norma Taylor ergebnislos zu flirten, sich am Ufer des Silver River zu sonnen, Motorboot zu fahren, zu schwimmen, im Football-Stadion die Mannschaft der West-Side mit schrillen Schreien anzufeuern und Coca-Cola-Flaschen durch die Luft zu werfen. Auch ein Informationsbesuch im Puff, den John absolvierte, war nicht der Weisheit letzter Schluß, obgleich die fünf Mädchen, wie der Busfahrer versprochen hatte, verflucht scharfe Dinger waren. Zwei Schwarzhaarige, ein Rotkopf, eine üppige Blonde und eine zierliche, weißhäutige Asiatin, die nicht begreifen wollte, daß der schöne, große, kräftige Boy sich nur alles ansehen, aber sich nicht langlegen wollte. John bezahlte für das Hingucken die volle Bumsgebühr, aber das rettete ihn nicht. Wie so oft erlebte er, daß Mädchen – und selbst solche, die es berufsmäßig machen – bei seinem Anblick verträumte Augen bekamen und tatsächlich so etwas wie echte Liebe in sich entdeckten.
    Das Leben in Frazertown war ganz anders! Von acht Uhr morgens bis ein Uhr Mittags war man ein Objekt; ein Rohstoff, der hier nach allen Regeln von Wissenschaft und Härte zurechtgeschliffen wurde. Im Filmtheater und im Konzertsaal fanden die Schulungen statt: amerikanische Geschichte, Geographie und Wirtschaftskunde. John lernte die Boxer-Ranglisten auswendig, die Baseballmannschaften, die um die Meisterschaft spielten, die Namen der großen Film- und Show-Stars vom Broadway, die Lebensläufe der wichtigsten Senatoren, die Quizsendungen in den vielen amerikanischen TV-Stationen, die Alltagssorgen einer Alltagsfamilie zwischen Atlantik und Pazifik. Er aß bei den Vorträgen Popcorn, hockte dreimal wöchentlich im Kino, um die neuesten Hollywood-Filme anzusehen, boxte zweimal pro Woche in der Boxschule in der Halbschwergewichts-Klasse und lernte eine Menge Leute kennen, die wie er amerikanisch sprachen, sich mit den Vornamen anredeten: »Hallo, Bill!« – »Hallo, Jack!«, und die doch, das wußte er, sowjetische Offiziere waren, wie er selbst.
    Einmal wöchentlich versuchte man, ihn zu zerbrechen. Das geschah in einem unterirdischen Bunker, wo ihn Amerikaner in Uniform empfingen, zusammenschlugen, an einen Lügendetektor anschlossen und ihn stundenlang fragten: »Woher kommen Sie? Wer sind Sie? Wie

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