Das Doppelspiel
den sowjetischen Kapitän Dunja Andrejewna?«
»Ich möchte wissen, mit wem meine zukünftige Frau nachts unterwegs ist!«
»Ich könnte sagen, es war dienstlich.«
»Ein Mann also!« Plenjakow atmete schwer. Er wischte sich mit beiden Händen über das übernächtigte Gesicht und unterdrückte nicht das Zittern seiner Hände. »Die ganze Nacht …«, sagte er dann heiser. »Was … was hat er gewußt? Wer ist es? Hast du Fotos, Mikrofilme, Formeln? War … war es so wichtig für uns? Dunja, ich werde verrückt, wenn ich weiterspreche!«
»Ich habe nicht gesagt, daß es dienstlich war«, erwiderte sie. »Ich habe gesagt: ›Ich könnte sagen, es war dienstlich.‹«
»Wo warst du?«
Plenjakow griff plötzlich zu, riß Dunja an sich und schüttelte sie. Sie revanchierte sich, indem sie ihn gegen das linke Schienbein trat, mit der Spitze ihrer Schuhe genau auf den Punkt, der selbst einen Riesen einknicken läßt. Plenjakow krümmte sich, lehnte sich ächzend gegen das Regal und starrte Dunja aus flackernden Augen an. Seine Hände schlossen und spreizten sich, als wären sie Pumpen, die den Schmerz aus ihm herausdrückten.
»Du warst bei einem Mann –«, stöhnte er. »Ich liebe dich mit allem, was zwischen Himmel und Hölle liegt … und du warst eine ganze Nacht bei einem Mann! Warum habe ich dann Gulbrannson erschlagen? Warum? Wenn du eine Hure sein willst, warum dann diese Unterschiede? Welch ein Abend war das vor zwei Tagen! Ich war bereit, deinetwegen mein Rußland zu verraten! Ich habe an dich geglaubt, Dunja. An eine neue Welt …«
»Ich habe eine neue Welt, Andrej Nikolajewitsch.«
»Mit einem anderen Mann! O Himmel, wie kann ich das aushalten? Wer ist es? Kenne ich ihn?« Er wollte sich wieder, trotz seiner wahnsinnigen Schmerzen im Schienbein, von dem Regal abstoßen und nach Dunja greifen, aber sie wich zurück und zog den Kopf in die hochgezogenen Schultern.
»Bleib stehen«, sagte sie dunkel. »Andrej, bleib um der Madonna willen stehen! Wir müssen uns auf Distanz unterhalten.« Sie hob die rechte Hand und drehte die Handkante zu Planjakow. Er kannte das. Er wußte genau, wie schnell sie im Karate war, und er war im Augenblick zu schwach, flinker zu reagieren, als sie zuschlagen konnte. »Wir haben einmal darüber gesprochen, daß wir nicht stark genug sind, unsere Aufträge auszuführen …«
»Du und ich zusammen! Ich liebe dich mehr als einen Befehl aus Moskau.«
»Und wenn ich jetzt allein gehe?«
»Das kannst du nicht. Ich halte dich fest.«
»Als Major des KGB?«
»Als ein armer Mensch, der dir zu Füßen liegt.« Plenjakow hielt sich am Regal fest. Er konnte auf dem linken Bein kaum noch stehen, so höllisch schmerzte der Tritt von Dunjas spitzem Schuh.
»Und wenn ich einen anderen liebe?«
»Das ist unmöglich! Dunja, das geht einfach nicht.«
»Und warum geht es nicht?«
»Ist er ein Amerikaner?«
»Ja.«
»Du kennst doch den Befehl Nummer L/I/U.«
»Wie patriotisch, Andrej Nikolajewitsch!« Sie lächelte, aber es war das Lächeln einer gefährlichen Katze. »Liquidierung aller Verräter. Bereinigung des Inneren Kerns von allen unsicheren Elementen. Die Auslese unter den Teufeln! Nur wenn ein Plenjakow selbst ausbrechen will, vergißt er die Nummer L/I/U! Welch ein widerlicher Egoismus! Welch ein schleimiger Verrat an Rußland! So etwas sagt der große Plenjakow!«
Sie sah ihn abschätzend an und erschauderte über sich selbst und ihre so klaren, einfachen Gedanken, Andrej Nikolajewitsch ohne die geringste Reue töten zu können. Er war die einzige große Gefahr für ihre Liebe zu Bob, und alles, was diese Liebe erhalten oder retten konnte, war gut und richtig und in die besondere Moral eingebettet: Ich tue es für Bob! Es war fürchterlich, das so klar an sich zu erkennen, daß sie noch einen Schritt weiter zurückwich und Plenjakow ohne Mitleid betrachtete, wie er noch immer mit den Schmerzen in seinem Schienbein beschäftigt war.
Unter der weißen Schürze, eng um den Leib geschnallt, trug sie eine kleine Pistole. Ein Spielzeugding, rundum versilbert, ein Mann wie Plenjakow würde laut lachen, wenn er sie sehen könnte – aber sie war geladen, die Patrone stak im Lauf, und auf nahe Entfernung, zerriß auch solch eine kleine Kugel das Herz oder schlug ein tödliches Loch in die Stirn.
»Woran denkst du?« fragte Plenjakow und holte tief Luft. »Überlegst du noch?«
»Ja«, antwortete sie. Aber sie sprach nicht aus, woran sie dachte und wohin ihre Überlegungen
Weitere Kostenlose Bücher